Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der European Super League. Doch nun mehren sich die Gegenstimmen aus Vereinen, Verbänden und Fans, die sich vehement gegen die ESL richten. Die ersten Teilnehmer haben bereits ihren Rückzug verkündet – ein Erfolg der Fans!
Während sich der FC Schalke 04 nach über 30 Jahren aus der Fußballbundesliga nach einem traurigen Absturz von der großen Bühne verabschiedet, feierten die Fans am vergangenen Abend einen anderen Abschied ausgelassen: die European Super League kommt (vorerst) nicht! In Rekordzeit stürzte die Idee einer Europäischen Super Liga (ESL) ab, denn nur wenige Tage war die Liga erst alt. Am vergangenen Sonntagabend veröffentlichte Florentino Perez, Präsident von Real Madrid, ein Pressestatement zur Einführung der Europäischen Topliga, welcher zwölf Spitzenclubs aus England, Spanien und Italien permanent sowie weitere acht Teams nach erfolgreicher Qualifikation beitreten sollten. Die Nachricht erreichte die europäische Öffentlichkeit gleichermaßen unvorbereitet wie überraschend und löste eine Welle der Empörung aus.
Protest von Fangruppen gegen die ESL
Schnell bildeten sich Fangruppen, die mit Spruchbändern und Plakaten gegen die ESL protestierten. Liverpool- Fans hingen schwarze Banner mit der Aufschrift „Shame on you. RIP LFC 1892-2021“ an den Stadion-Toren der legendären Anfield Road auf. Der Gegner am Dienstagabend, Leeds United, brachte den eigenen Protest zum Ausdruck, indem die Mannschaft sich vor dem Spiel gegen Liverpool mit dem Slogan „Football is for the fans“ auf den Aufwärm-Shirts zeigte. In London kam es zu Tumulten, als verärgerte Chelsea und Arsenal Fans ihrem Ärger Luft machten. Auch an anderen Orten kam es europaweit zu Protesten gegen die ESL – mit erkennbarem Erfolg.
Zunächst meldeten sich die europäischen Spitzenteams aus Deutschland und Frankreich am Anfang der Woche und erteilten der Einladung eine Absage. Anschließend zogen sich die ersten Vereine aus England zurück und entschuldigten sich für das Vorgehen wie Liverpool in Form einer Videoansprache von Clubbesitzer John Henry. Obwohl Juventus Turin sich noch für die Vorteile der ESL aussprach, zogen sie noch am selben Tag zusammen mit den Mailänder Clubs ihre Teilnahme zurück. Nach dem Austritt von allen englischen und italienischen Teams sowie Atletico Madrid verbleiben nur noch die beiden Giganten Real Madrid und Barcelona im Wettbewerb. Eine Classico-Liga ergibt natürlich keinen Sinn. Damit ist die ESL erst einmal vom Tisch und wird garantiert nicht, wie geplant, im August losgehen.
Ist nun alles wieder gut?
Obwohl die ESL noch einmal durch den starken Protest der Fans, Sanktionsandrohungen der UEFA und FIFA und Teilnahmeverweigerung vieler anderer europäischer Clubs noch einmal abgewendet wurde, ging eine wichtige Nachricht dieser Tage etwas unter: die Reform der Champions League. Durch die Reform sollen ab der Saison 2024/2025 mehr Spiele durchgeführt werden (insgesamt 225 anstatt 125). Außerdem spielen die Teams nicht mehr in einer Gruppenphase zweimal gegen drei andere Teams, sondern im sogenannten „Schweizer Modell“ gegen zehn Gegner in zehn Spielen. Die besten acht Teams qualifizieren sich direkt für das Achtelfinale, wobei die Plätze 9 bis 24 noch Wildcard-Plätze erreichen können. Da auch die Geldverteilung noch einmal zugunsten der Spitzenteams ausfällt, kann man hier von einer „kleinen“ Super League sprechen. Die Champions League -Reform ist also gar nicht so weit von der ESL entfernt.
Der Fanprotest hat gezeigt, dass die Zuschauer noch mehr als zahlungskräftige Kunden in einer Zirkusmanege sind. Sie fordern ein Recht auf Mitsprache, warnen vor der Gier der Funktionäre und stellen die Basis eines Vereins dar. Die gegenwärtige Abwendung der ESL kann als Teilerfolg verbucht werden. Doch es werden neuen Versuche folgen, eine solche Superliga zu implementieren – zur Not auch durch die Hintertür, als CL-Reform.
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