Jeder hat es schon einmal erlebt: Man schlendert durch die Innenstadt und wird plötzlich von einer freundlichen Person gefragt, ob man nicht bereit wäre, eine Kleinigkeit an die Organisation X zu spenden. UNICEF, der WWF oder SOS Kinderdorf versuchen auf diese Weise, Spenden zu sammeln und Mitglieder zu akquirieren. Kaum jemand weiß allerdings, wie genau Entwicklungshilfe funktioniert und wie die NGO’s arbeiten. Ein Kommentar.
Gerade in solchen Wochen, in denen der Brand des Amazonas Regenwaldes große Aufmerksamkeit erregt hat, müssen wir über Entwicklungshilfe sprechen. Auf Social-Media-Kanälen wird man mit Spendenaufrufen für gemeinnützige Organisationen bombardiert. Falsche Bilder, die die Emotionen triggern, werden veröffentlicht, geliked und geteilt. Genauere Informationen über die Arbeit dieser NGO’s gibt es jedoch kaum. Entwicklungshilfe betrifft aber nicht nur den Naturschutz, sondern darüber hinaus auch humanitäre Hilfe. Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist die Beseitigung sozioökonomischer Unterschiede weltweit. Der Begriff Zusammenarbeit soll verdeutlichen, dass es sich um ein gemeinsames Bemühen gleichgestellter Akteure handelt.
Hilfe zur Selbsthilfe
Staatliche Entwicklungspolitik sowie alle Projekte der NGO‘s arbeiten unter dem Attribut der Hilfe zur Selbsthilfe. Es werden Maßnahmen entwickelt und umgesetzt, die von den Empfängern Eigeninitiative verlangen. Dadurch sollen sie langfristig ohne externe Hilfe auskommen.
Deutschland leistet unter anderem Entwicklungshilfe in Form von bilateraler Zusammenarbeit. Es werden finanzielle Mittel für bedürftige Staaten bereitgestellt und Experten vor Ort geschickt, um beratend tätig zu sein. Es gilt, nicht nur finanzielle Unterstützung zu leisten, sondern auch im permanenten Austausch mit den politischen Akteuren zu sein.
NGO’s arbeiten weitestgehend in Projekten, die man finanziell recht individuell unterstützen kann. Sie erabeiten Maßnahmen zur Selbsthilfe und sind mit Betroffenen im Gespräch, um gemeinsam an der Umsetzung zu arbeiten. Trotz der Vorstellung ihrer Projekte auf deren Internetseiten, bleibt die Arbeit der Organisationen recht intransparent.
Der Zweck heiligt die Mittel nicht
Statt mit konkreten Informationen Spenden zu beschaffen, setzen Organisationen stark auf die Emotionen des Interessenten. Auf der Internetseite des WWF werden alle Projekte vorgestellt, die es zu unterstützen gilt. Achtet man auf die Sprache, ist zu erkennen, dass sie sehr einfach gehalten ist, fast so, als sollten Kinder und Jugendliche angelockt werden. Weiterhin werden für Tierbezeichnungen Verniedlichungen verwendet, wie „Bärchen“, deren Zweck es ist, Mitgefühl hervorzurufen. UNICEF hingegen veröffentlicht Bilder auf denen betroffene Kinder besonders süß oder traurig aussehen.
Ähnlich unmoralisch verhält es sich mit den Akquisen in der Einkaufsstraße. Oftmals sind diejenigen, die dort Überzeugungsarbeit leisten, nicht mal selbst Mitglied oder Unterstützer der NGO, für die sie Spenden sammeln. Das liegt unter anderem daran, dass sie nicht von der Organisation selbst angestellt sind, sondern oftmals durch externe Unternehmen. Für jeden angemeldeten neuen „Paten“, erhalten die Mitarbeiter außerdem eine Provision. Dies verleitet natürlich dazu, Personen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln von einer Mitgliedschaft zu überzeugen. Neben der fehlenden Authentizität sind diese Methoden vor allem deshalb moralisch verwerflich, weil es sich bei diesen NGO’s um gemeinnützige Organisationen handelt.
Diese NGO’s finanzieren sich aber nicht nur durch Kleinspenden, sondern auch durch Unternehmensspenden. Wenn eine Naturschutzorganisation Spenden von dem Herbizidhersteller Monsanto annimmt, ist auch dies moralisch bedenklich. Große Unternehmensspenden deuten nämlich meist auf eine Abhängigkeit hin. Hier ist gerade der WWF seit Jahren in Kritik. Wenn NGO’s in solch eine Unmündigkeit geraten, leisten sie bestimmt nicht die Entwicklungsarbeit, die man sich von ihnen erhofft.
Der Schlüssel zum sicheren (Miss)erfolg
Neben den moralischen Problemen bleibt das Problem der Intransparenz. Wie genau ihre Arbeit aussieht und welche Hürden ihnen im Weg stehen, wird kaum deutlich. Denn um die Projekte umzusetzen, genügt nicht nur die Planung. Umweltschutzprojekte in Nationalsparks müssen von nationalen Behörden genehmigt sein. Durch die oftmals instabile politische Lage oder aber unterschiedlichen Interessenlagen, ist die Absegnung und Planung solcher Projekte nicht bloß eine Formalie. Ohne Zustimmung der Behörden werden die Projekte nicht stattfinden können.
Darüber hinaus müssen wir verstehen, dass Politik in Entwicklungsländern meist anders funktioniert als in westlichen Demokratien. Erstens ist nicht jedes Land demokratisch und zweitens bedeutet dies nicht gleich, dass Politik für die Bedürftigen gemacht wird. In afrikanischen Ländern mangelt es an Bildung und an einem funktionierenden Wirtschaftssystem, was unter anderem aus ersterem resultiert. Außerdem leidet der afrikanische Kontinent unter Korruption. Die politischen Eliten sind teilweise zwar durch Wahlen legitimiert, da aber kaum jemand Zugang zu Bildung hat, werden auch immer nur Eliten am politischen Geschehen teilhaben. Wenn also der Bund finanzielle Unterstützung garantiert, ohne diese an Bedingungen und bestimmte Einsatzbereiche zu knüpfen, wird die Hilfe nicht in die Bereiche investiert, die es nötig haben. Laut einer Weltbank-Studie wurden 85 Prozent der Fördergelder für Entwicklungshilfe im Jahr 2012 zweckentfremdet. Die unterschiedlichen Interessenlagen machen es zusätzlich schwer, in Gesprächen mit Politikern einen Konsens zu finden.
Wirft man einen Blick auf Brasilien und den Präsidenten Jair Bolsonaro wird dieses Problem deutlich. Um Aufforstungsprojekte zu genehmigen, müssen die Organisationen erst einmal an ihm vorbei, an einem Präsidenten, der den Klimawandel leugnet und sich für Menschen einsetzten will, die wirtschaftlich von der Rodung profitieren. Die politischen Umstände im Empfängerland sind maßgeblich für den Erfolg von Entwicklungszusammenarbeit.
Ursachen- statt Symptombekämpfung
Um eine langfristig funktionierende Entwicklungszusammenarbeit zu garantieren, die sicher notwendig ist, reicht es nicht, die Symptome zu lindern. Brunnenbauprojekte helfen nur einer verschwindend geringen Menge an Menschen, aber tatsächlich lösen sie nicht das gesamte Problem. Ähnlich verhält es sich mit den Aufforstungsprojekten. Sie funktionieren nur dann, wenn die politischen Umstände dafür geschaffen sind.
Die Ursache für die Probleme, die Entwicklungsländer haben, sind vielfältig und einige Probleme liegen in der Politik des jeweiligen Landes begründet. Deshalb gilt es, genau diese zu allererst zu lösen. Wenn eine politische Infrastruktur geschaffen ist, die Zugang zu Bildung ermöglicht, die demokratische Prozesse zulässt, die den Klimawandel akzeptiert und nicht leugnet, erst dann kann Entwicklungshilfe funktionieren und erst dann kann man von einer wirklichen Entwicklungszusammenarbeit sprechen.
Schreibe einen Kommentar