Im ersten Teil (lies ihn hier) berichtet unsere Autorin von ihren Wegstationen, die sie während ihrer psychischen Krise aufgesucht hat. In diesem Artikel geht es um externe Hilfsangebote, die unterstützend in Krisen und Ausnahmesituationen helfen können.
Achtung: Ich berichte in diesem Artikel von meinen Erfahrungen. Solltest du selbst betroffen sein, obliegt es deiner Verantwortung, welche Maßnahmen du in Anspruch nimmst.
Ich brauche dringend Hilfe!
Ich war sehr lange der Meinung, dass ich keine Hilfe bräuchte und es anderen Menschen viel schlechter ginge als mir. So staute sich ein recht großer Problemberg auf und plötzlich suchte ich doch Hilfe. Allerdings wusste ich nicht, wohin ich mich wenden sollte. Damit es dir nicht sogeht wie mir, stelle ich dir einige Hilfsmöglichkeiten vor:
1) Hausarzt für sich gewinnen:
Nach mehreren Anläufen fand ich einen Arzt, der mich gut unterstützte, indem er auf mich einging und mich krankschrieb, wenn die Stressbelastung zu hoch war.
2) Einen Psychiater finden:
Je nach Störungsbild ist es ratsam, zu recherchieren, ob du einen Psychiater findest, der darauf spezialisiert ist. Diese Schwerpunkte findest du auch auf den Webseiten von Kliniken. Es werden oft spezielle Sprechstunden angeboten. Gib nicht nach dem ersten Misserfolg auf! Rechne mit längeren Wartezeiten!
3) Ambulante Psychotherapie ausprobieren:
Ich habe die tiefenpsychologische Psychotherapie und die Verhaltenstherapie ausprobiert. Letztlich waren beide nicht wirklich durchschlagend, weil ich eigentlich eine Traumatherapie brauchte. Allerdings ist für einen Therapieerfolg auch eine stimmige Beziehung zum Therapeuten wichtig. Ich bekam mal den Ratschlag: „Lieber keine Therapie als eine schlechte!“ Dem stimme ich heute – nach mehrjähriger – Erfahrung zu. Nutze die probatorischen Sitzungen bei einem Therapeuten und entscheide dann, ob du bei ihm bleiben willst.
4) Passende stationäre Hilfe finden:
Ich habe den Fehler gemacht, mich zu sehr auf die Klinikaufenthalte zu verlassen. Meine Erwartungen waren ziemlich hoch und mir tat das stationäre Klinik-Setting einfach nicht gut. Aber wichtig: Jeder macht andere Erfahrungen! Lass dich nicht entmutigen – jeder Aufenthalt ist anders und auch die Ärzte und Therapeuten sind unterschiedlich.
5) Hilfe durch einen Ex-In-Genesungsbegleiter:
Eine nachhaltige Veränderung erlebte ich durch die Gespräche mit einer ausgebildeten Ex-In-Genesungsbegleiterin. Sie ist selbst Betroffene mit einer psychischen Störung und hilft, dank ihrer Erfahrung und ihrem Genesungsweg, anderen Hilfesuchenden. Ich fühlte mich von ihr verstanden und erfuhr von weiteren Unterstützungsmaßnahmen und Möglichkeiten zur Selbstreflexion. Dieses Angebot habe ich im Rahmen einer RPK (Rehabilitation Psychisch Kranker) – Maßnahme erlebt.
6) Tagesklinikangebote nutzen:
Je nachdem, wo man wohnt, kann man auch Angebote nutzen, die tagsüber angeboten werden. Die Nacht verbringt man bei sich zu Hause.
7) Spezielle Therapiezentren aufsuchen:
Je nachdem, welches Störungsbild vorliegt, gibt es spezielle Therapiezentren. Eine Freundin von mir mit einer autistischen Spektrums-Störung hat sich beispielsweise für ein Therapiezentrum speziell für diese Störung entschieden. Die Programme dort laufen auch teilweise über Monate und helfen, den eigenen Alltag zu bewältigen.
8) Medizinisch-berufliche Rehabilitation (RPK-Maßnahme):
Ich habe eine RPK-Maßnahme gemacht, die zuerst einen medizinischen Teil hatte. Mit zunehmender Stabilisierung knüpfte ein beruflicher Teil an, in dem man Praktika machen konnte, um einen beruflichen Weg zu finden oder ins Arbeitsleben zurückzukehren.
9) Reha-Berater von der Agentur für Arbeit aufsuchen:
Ich hatte Gespräche mit dem Reha-Berater, wo wir gemeinsam für mich eine geschützte Ausbildung ausgesucht haben.
10) Bei der Krankenkasse anfragen:
Ich habe die Angebote meiner Krankenkasse für Beratungsgespräche genutzt. Aber auch für Kurse (zum Beispiel Bewegung, Ernährung, Entspannung), die sie vor Ort angeboten haben. Wichtig ist auch Kontakt zur Krankenkasse aufzunehmen, vor allem bei ungeklärten Fragen, wie beispielsweise einem Abbruch der Ausbildung wegen einer psychischen Erkrankung etc. Ich weiß, wie anstrengend das in diesem Moment ist, wenn man sich zusätzlich noch um Bürokratisches kümmern muss.
11) Sozialpsychiatrischen Dienst vor Ort aufsuchen:
Hier bekam ich Hilfe zu rechtlichen Fragen, aber auch beim Ausfüllen von Anträgen. In Kliniken gibt es auch sozialpsychiatrische Beratungsangebote. Themen, wie beispielsweise zu Behindertenausweisen oder zur Rente, können hier auch besprochen werden.
12) Wohnangebote vor Ort recherchieren:
Es gibt Möglichkeiten, betreut zu wohnen, aber auch in Wohngemeinschaften, die sich eigenverantwortlich organisieren. Letzteres habe ich erlebt und gute Erfahrungen gemacht, um wieder ins Leben zu finden.
13) Angebot an Fachvorträgen nutzen:
Es gibt immer wieder Vorträge über psychische Störungsbilder, die einem mehr Verständnis geben. Mögliche Angebote laufen über die Volkshochschule, Vorträge in Kliniken, ein Studium Generale über Universitäten, digitale Vortragsangebote etc.
14) Soziale Kaufhäuser nutzen:
Lange habe ich mich geschämt, in einem sozialen Kaufhaus Lebensmittel oder Kleidung einzukaufen. Ich erlebte diese finanzielle Not als sehr belastend. Das muss nicht sein. Denn es gibt Unterstützungsangebote vor Ort, die man nutzen darf.
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