Hannahs Mutter, Susanne Röß, lässt der Kleinen genauso viel Freiraum wie sie braucht. Auch Hannah muss erzogen und soll gegenüber Frieda nicht bevorzugt werden, trotz ihres Handicaps. Susanne Röß sorgt nicht nur für ihre Tochter, sie ist außerdem seit 2009 Behindertenbeauftragte des Donnersbergkreises in Rheinland-Pfalz. Eine Aufgabe, die sehr viel Engagement benötigt. Auch das Thema Inklusion spielt natürlich eine große Rolle. „Im Donnersbergkreis ist noch viel zu tun“, erzählt sie. Während Kindergärten und Grundschulen schon auf einem guten Weg wären, müsse vor allem bei den weiterführenden Schulen noch viel geleistet werden. Bisher gibt es in dieser Richtung nur die Zusammenarbeit der Integrierten Gesamtschule in Rockenhausen mit der benachbarten Förderschule Donnersberg.
Zurzeit besucht Hannah den Regelkindergarten in Steinbach. Die Erzieherinnen dort hatten damals sofort zugestimmt, Hannah in ihre Gruppe aufzunehmen. Im Sommer wird sie dann die Vorschule besuchen, anschließend steht der Wechsel in die Grundschule an. Als Vorreiter bei den Schwerpunkt-Schulen sieht Susanne Röß die Grundschule Bolanden-Dannenfels. Hier wird schon seit 14 Jahren am Inklusionskonzept gearbeitet. Die Eigeninitiative lobt sie besonders, vieles würde hier schon richtig gut umgesetzt werden. Vor allem die Kooperation der Kinder untereinander. Auch für Hannah ist das die richtige Lösung. „Etwas anderes würde keinen Sinn machen“, betont ihre Mutter.
Erdbeereis oder Vanilleeis?
Hannahs Heiligtum ist ihre Kindergitarre. Eine große hat sie ebenfalls schon geschenkt bekommen, aber bis sie auf ihr üben kann, muss sie erst noch ein bisschen wachsen. Auch wenn es mit Griffen und Melodie noch nicht wirklich klappt, merkt man schnell, mit wie viel Eifer Hannah ihrem Lieblingshobby nachgeht. Konzentriert beugt sie den Kopf und ihre kleinen Hände schlagen die Saiten an. Sie singt ihr Lieblingslied „Vor langer Zeit in Bethlehem“. Und auch Mama, Schwester und Journalistin werden energisch aufgefordert mitzusingen. In der Grundschule wird sie wohl die Musik-AG besuchen. Solche Freizeitbeschäftigungen darf sie sich aussuchen. Die Wahl der richtigen Schule treffen ihre Eltern für sie: „Das kann sie nicht. Sie kann entscheiden, ob sie ein Erdbeereis oder ein Vanilleeis haben will, aber hier müssen wir ihr einfach die Entscheidung abnehmen.“
Die hellgelben Gebäude fallen sofort ins Auge, wenn man den Berg in der Straße „Im Goschental“ hochfährt. Dort hat sich die Grundschule Bolanden-Dannenfels angesiedelt. Bereits seit 2003 ist sie eine Schwerpunktschule. Hier lernen Behinderte mit Kindern ohne Handicap zusammen. Inklusion eben. Im Mensa-Bereich stehen blaue und orangene Stühle. Die Schüler die das Ganztagsangebot nutzen, essen hier täglich. Auch die Klassenzimmer sind sehr bunt. Zeichnungen, Bastelarbeiten, an den Fenstern hängen Sterne, Engel oder Pilze. Die Drehstühle sind höhenverstellbar, damit alle Kinder sich optimal an den Tisch setzen können, um zu arbeiten. Am Haupteingang hängt ein kleines blaues Plakat: „Liebe Eltern, ab hier gehen wir alleine“. Seit 2010 wird Unterricht in jahrgangsgemischten Klassen angeboten, jeder Schüler soll unabhängig, selbständig und in seinem Tempo lernen können.
„Inklusion findet in den Köpfen statt“
Rahel Kleinmann ist seit März 2011 Pädagogin in der Grundschule Bolanden, weil dort „der Wunsch, Schwerpunktschule zu werden, aus dem Kollegium herauskam“. Sie arbeitet in verschiedenen Klassen am Unterricht mit. Ihre Aufgabe ist es, die Kinder in Kleingruppen bei ihren Lernprozessen zu unterstützen. Dabei benutzt sie Hilfsmittel wie Knete, Buchstaben in Sand oder Zahlen auf den Rücken eines anderen Kindes schreiben. Für Rahel Kleinmann ist Inklusion eine Herzensangelegenheit und auch die Aufgabe einer Umstrukturierung in der Gesellschaft. Denn „Inklusion findet in den Köpfen statt“.
Hannah und Frieda dürfen heute entscheiden, was es zum Mittagessen geben soll. „Kuchen“ ist die einstimmige Antwort der Geschwister. Am Ende einigen die zwei sich aber zusammen mit ihrer Mutter dann doch auf eine Nudelsuppe. Hannah wird vielleicht nie so sein wie andere Kinder. Trotzdem bietet ihr die Möglichkeit, eine inklusive Schule zu besuchen, einen großen Mehrwert. Gemeinsames Lernen, Zusammensein mit Kindern ohne Behinderung und hoffentlich ganz viel Zeit in der Musik-AG.
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