Es leben zunehmend mehr Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen in Deutschland. Was bisher als multikulturell galt, dürfte sich langsam aber sicher zu einem ernstzunehmenden Problem für die Gesellschaft entwickeln. Einst konnte man von einem größtenteils christlichen Abendland sprechen. Betrachtet man die Zahl der nicht nur auf dem Papier Gläubigen, so kann man den Zusatz „größtenteils“ schon länger streichen, und muss ehrlicherweise von einem allenfalls noch christlich geprägten Land sprechen. Deutschland ist im Wandel. Viele Kirchen werden als Künstlerateliers, Museen oder gar Diskotheken genutzt, kirchlich geleitete Kindergärten und Krankenhäuser in die öffentliche Hand übergeführt oder geschlossen. An den Schulen sind die Kruzifixe abgehangen, das Kopftuch verboten und der Ethik Unterricht etabliert. Verkaufsoffene Sonntage und Feiertage, die nur Läden und Vergnügungsparks anstatt Gotteshäuser füllen, sind längst Realität. Der Bau von Moscheen, die Forderung nach muslimischen Feiertagen, gar die Abschaffung von Weihnachten sind aktuelle Themen, die es zu diskutieren gilt.
Wie viel Religion darf es sein?
Wie viel Religion verträgt die Gesellschaft? Oder wie viel braucht sie? Und nach welchen Werten muss sich unser Staat ausrichten. Das sind die zentralen Fragen, die es dabei zu klären gilt. Die strikte Trennung von Staat und Kirche ist in Deutschland keinesfalls erreicht. Noch immer gibt es Schnittpunkte und Verknüpfungen, die auf eine enge Zusammenarbeit, ja sogar eine Arbeit für den jeweils anderen, schließen lassen. Ob gemeinsam geführte soziale Einrichtungen, das Eintreiben von Steuern oder die Finanzierung aus Sonderfonds, vom Laizismus ist Deutschland weit entfernt. Aber braucht es denn eine solch strikte Trennung? Oder ist vielleicht die Religion der Geist, der den Staat beseelt?
Wir leben in einem Spannungsfeld. Zwar bekennen sich immer weniger Menschen in Deutschland zu einer christlichen Kirche, jedoch sind sie im Gegenzug noch nicht bereit, alle christlichen Werte über Bord zu werfen. Andererseits steigt auch die Toleranzgrenze immer weiter. Man ist eben offen für neues. Einer gewissen anfänglichen Skepsis weicht nach und nach die Erkenntnis, dass unsere Gesellschaft auch im friedlichen Miteinander der Kulturen fortbestehen kann. Und diese Erkenntnis wächst schneller als es manch einem lieb ist. Viele fühlen sich in ihren Grundfesten angegriffen. Die altbekannte Heimat des Glaubens und der Glaubensgemeinschaft verändert sich. Der Kreis der gläubigen Christen wird kleiner und manch einer fühlt sich durch das gleichzeitige Anwachsen anderer Religionen oder durch Atheisten eingeengt oder gar verdrängt. Es bleibt also die Frage, ob die wenigen Christen, die immer stärker in die Minderheit abfallen, ein Recht haben, dem Staatsgefüge und der Gesellschaft die eigenen Werte zu diktieren.
Religion braucht Raum
Es ist es der Grundgedanke der Demokratie, dass die Mehrheit des Volkes die gesamte Staatsmacht ausübt. Nach dieser Überlegung ist es nur eine Frage der Zeit, bis die christlichen Werte dem Willen der Mehrheit weichen. Und genau diese Entwicklung spürt man derzeit recht deutlich. Es ist die Frage nach dem „C“ in CDU, es ist aber auch die Frage nach neuen Moscheen, nach Abschaffung von christlichen Feiertagen und so weiter. Es ist aber auch die Angst vieler, ihres Lebensraumes beraubt zu werden. Religion braucht Raum. Schaut man nur nach Jerusalem, so wird man feststellen, dass ein Miteinander bzw. Nebeneinander zumindest schwierig sein kann. Schon im alten Rom hat man die Religionen der eroberten Gebiete lieber adaptiert statt zerschlagen. Man hat den Menschen ihren religiösen Raum gelassen. Gleich und gleich gesellt sich gerne. Das ist das Natürlichste der Welt. So verhält es sich auch mit Religionen. Gerade bei katholischen Jugendfesten, wie beispielsweise dem Weltjugendtag, entsteht dann gerne der Eindruck, dass alle Welt katholisch ist. Es scheint, als seien alle um einen herum derselben Meinung. Das gleiche Phänomen lässt sich auch im Internet beobachten. Hier filtern ausgeklügelte Algorithmen die Suchergebnisse und Nachrichten, sodass man glauben könnte, die ganze Welt ist mit den eigenen Ansichten d’accord.
Doch die Christen müssen neue Wege gehen – auch territorial. Die Christen in Deutschland müssen, um weiter bestehen zu können, enger zusammenrücken. Dies bedeutet nicht die Schaffung eines bayerischen Reservats, wie es sich vielleicht einige wünschen, sondern ein Zusammenrücken im Geiste. Das WIR-Gefühl und das gemeinsame Einstehen für die eigenen Werte muss oberstes Ziel sein. In Zeiten von Internet, Auto und Smartphone stellt Entfernung kein Hindernis mehr dar. Aber auch die Toleranz gegenüber anderen Religionen und Nichtgläubigen ist wichtig. Dialoge müssen gefördert und Akzeptanz geschaffen werden. Niemand möchte die deutsche Kultur zerstören. Alle Beteiligten, egal welcher religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit, bilden und schaffen erst die deutsche Kultur. Wenn diese vielfältiger ist, so ist dies nichts Schlimmes. Schlimm ist es erst, wenn alles zu einem Einheitsbrei verschwimmt und den einzelnen Gruppen das Gefühl von Identität abhanden kommt. Das schürt Ängste und erschwert ein Miteinander. Man muss für gleiche Rechte kämpfen und dabei Identität und Unterschiede bewahren. Wenn das gelingt, dann kann Gesellschaft gelingen.
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