Hamburg: Barclaycard Arena. Menschen stehen in langen Warteschlangen vor dem Eingang. Dennoch ist die Stimmung ausgelassen, es wird viel geredet und gelacht. Bei allen steigt die Vorfreude, dass es bald losgeht. Allerdings findet hier an diesem Tag kein herkömmliches Event statt. All diese Leute sind gekommen, um das Finale der European League of Legends Championship Series (kurz: EU LCS) zu sehen. Statt Udo Lindenberg oder HSV Handball heißt es heute: G2 Esports gegen Unicorns of Love. Und ich bin mittendrin.
E-Sport wächst immer weiter und wird immer beliebter. An dieser Gamingform scheiden sich die Geister. Ist das wirklich Sport oder doch mehr ein Hobby? Besonders an dem Spiel League of Legends erfreuen sich Fans nicht mehr nur, wenn sie es selber spielen, sondern auch, wenn sie den sogenannten Pro-Gamern live zuschauen können. Der Andrang ist mittlerweile so groß, dass der Veranstalter Riot Games riesige Hallen anmieten kann und diese am Ende trotzdem ausverkauft sind. Bei den Weltmeisterschaften, die im vergangenen Jahr in den USA und Kanada stattfanden, waren sowohl der Madison Square Garden für das Halbfinale als auch das Staples Center in Los Angeles für das Finale ausverkauft. Beide Hallen fassen jeweils circa 21.000 Plätze und werden sonst regelmäßig für andere große Events benutzt. So fanden im Madison Square Garden schon legendäre Boxkämpfe statt, während im Staples Center vorwiegend die Los Angeles Lakers (Basketballteam der NBA) ihre Heimspiele austragen.
In der Arena in Hamburg stehen mit einer Kapazität von „nur“ 16.000 etwas weniger Plätze zur Verfügung. Das tut der Euphorie und der Stimmung aber keinen Abbruch. Alle sind gespannt auf das bevorstehende Aufeinandertreffen der aktuell beiden besten Teams in Europa: Auf der einen Seite der Serienmeister G2 Esports, der im vergangenen Jahr innerhalb Europas nahezu alles gewinnen konnte; auf der anderen Seite die Herausforderer Unicorns of Love, die nicht nur wegen ihres Namens, sondern auch wegen ihres innovativen Spielstils große Beliebtheit bei den Fans genießen.
Sogar E-Sport-Organisationen besitzen Fanclubs
An diesem Nachmittag ist die Mehrheit der Fans auf der Seite der Unicorns. Als die Spieler die Bühne betreten, ertönt ein donnernder Applaus und diverse Schlachtrufe werden angestimmt. Für viele Spieler ist es ein neues Gefühl, vor einer so großen Anzahl an Fans zu spielen. Man merkt ihnen ihre Anspannung vor dieser wichtigen Partie deutlich an, allerdings lächeln sie auch, während sie vom Ansager vorgestellt und von den Fans bejubelt werden.
Für die lautstarke Unterstützung ist in besonderem Maße eine bestimmte Gruppe verantwortlich: Die LoveHurtsCrew. Waren sie früher noch eine kleine Ansammlung von Unicorns-Fans, sind sie heute zu deren offiziellen Fanclub geworden. Die Anzahl der Mitglieder ist dabei so stark gewachsen, dass sie heute fast einen ganzen Block in der Halle belegen. Neben den Gesängen rollen sie zu Beginn ebenfalls eine riesige Fahne mit dem Logo ihres Teams aus, um ihre Verbundenheit zu demonstrieren.
Stimmung, die einem Fußballspiel ähnelt
Die Stimmung lässt mich unweigerlich an ein Fußballspiel denken. Fans, Gesänge, La-Ola-Wellen, die Minuten lang durch die Arena schwappen. Die Zuschauer freuen sich live dabei sein und mit den Spielern mitfiebern zu können. Natürlich ist das Ganze nicht eins zu eins vergleichbar mit den riesigen Stadien in Dortmund oder München, aber das ist auch gar nicht nötig. Dieses verhältnismäßig Kleine und Charmante verleiht dem ganzen Event einen ganz persönlichen Charakter. Es fühlt sich nicht so an wie beim Fußball, wo man weiß, dass jeder irgendwie diese Sportart verfolgt. Hier ist man unter Gleichgesinnten, die sich für den eSport und in diesem Fall für League of Legends begeistern.
Aufgeben gibt es hier nicht. Auch als die Unicorns schon 0:2 zurückliegen, steht die ganze Halle hinter ihnen und feuert sie an. Die Euphorie scheint auf die Spieler überzuspringen. Sie schaffen es das hart umkämpfte Spiel für sich zu entscheiden und verkürzen auf 1:2. Am Ende sind es dennoch die Spieler von G2 Esports, die die Best-of-5-Serie nach knapp viereinhalb Stunden mit 3:1 für sich entscheiden und somit ihren dritten Europameistertitel in Folge feiern können.
Jeder für jeden
Und hier zeigt sich eine weitere positive Seite der E-Sport-Community: Das Siegerteam, das in diesem Fall wie erwähnt nicht unbedingt der Fan-Favorit war, wird am Ende ebenso mit großem Applaus bedacht. Wo im Fußballstadion durchaus Pfiffe der Zuschauer gegen den unliebsamen Gegner ertönen, zollen die Fans hier ihrem Gegner Respekt und Anerkennung. Das mag im Fußball zwar auch vorkommen, ist aber die Ausnahme und längst nicht Normalität. Im E-Sport geht es bisweilen sehr viel familiärer zu als in anderen Sportarten. Das kann er sich auch erlauben, denn trotz allen Wachstums ist E-Sport nach wie vor eine Randsportart, die insgesamt gesehen keine so große Beachtung bekommt.
Die Fans, die sich weit nach den Finalspielen noch in der Arena aufhalten, um Erinnerungsfotos zu ergattern, werden am Ende für ihr Warten belohnt. Sowohl die Spieler als auch die Kommentatoren und Moderatoren des Events, die in der Community mindestens genauso beliebt sind, nehmen sich noch Zeit für Selfies und Gespräche mit den Fans. Alles in allem sorgt das für einen runden Abschluss des Tages.
Zusammenfassend kann ich jedem, der ein richtiger E-Sport-Fan ist oder sich zumindest dafür interessiert, empfehlen solch ein Event zu besuchen, wenn sich ihm/ihr die Chance bietet. Die Atmosphäre ist spitze, man kann sein Team hautnah erleben und es gibt immer Leute aus der Community, mit denen man ins Gespräch kommt. Es ist eben wie in vielen anderen Sportarten auch, nur eben ein bisschen anders, ein bisschen neu.
Schreibe einen Kommentar