Schon ein komisches Gefühl, sich selbst im Fernsehen zu sehen, dazu noch zur quotenstärksten Zeit. Wie viele Menschen mich gerade wohl sehen? Da kommen bestimmt einige Millionen zusammen – und Oh Gott, wie sehen meine Haare denn in dieser Szene aus? Also eins steht fest: Wer in einem Scripted Reality Format mitwirken möchte, muss eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein und Selbstironie mitbringen. Scripted Reality bedeutet hierbei, dass verschiedene, von Autoren verfasste Situationen von Laiendarstellern möglichst authentisch nachgestellt werden – von vielen Menschen werden diese Formate auch abwertend „Asi-TV“ genannt.
Kritik am Scripted Reality Format – Was ist dran?
Warum? Nicht selten handelt es sich um sehr kuriose Fälle, die oftmals mit einem sehr rauen, vulgären Umgangston gefüllt sind. Die Kameraführung ist wacklig, Interviews mit den jeweiligen Protagonisten sind keine Seltenheit, damit Geschichten authentischer und spannender wirken. Aber diese künstliche Authentizität spiegelt auch einen großen Kritikpunkt des Scripted Reality Formates wieder – es hat ja relativ wenig mit Realität zu tun. Dass, es sich um reine Fiktion handelt, wird zwar am Ende einer Sendung gekennzeichnet, aber leider nur in einer sehr kurzen Sequenz, sodass viele Zuschauer, besonders Kinder und Jugendliche oftmals denken, dass es sich um reale Geschichten handelt. Dieses Problem haben auch viele Produktionsfirmen erkannt, und so geht der Trend mittlerweile hin zum Format "Selbsttherapie" um verzerrten Geschichten einen logischen Rahmen zu verleihen. Dokus wie „Verklag mich doch“ oder „Hilf mir doch“ behandeln Themen wie Familienrecht, Strafrecht und werden von realen Anwälten bzw. Psychologen kommentiert und eingeordnet, sodass der Zuschauer auf Lösungsansätze verschiedenster Probleme hingewiesen wird und die ausgedachte Irrealität der Geschichte noch einmal in den Vordergrund gestellt wird.
Oftmals heißt es in der Presse auch, dass Darsteller unfair und abwertend behandelt werden. Mehrere Darsteller berichten von solchen Erlebnissen, wenn sie ihre Texte am Set nicht beherrschen oder den Anweisungen nicht bis ins kleinste Detail Folge geleistet haben. Natürlich hat jeder Regisseur andere Anforderungen, aber viele Darsteller fühlen sich durch eine Rolle im Fernsehen enorm in ihrem Selbstbewusstsein bestärkt, was grundsätzlich positiv zu vermerken ist – Der Fokus des schauspielerischen Talentes liegt schließlich in seiner Authentizität. Also nicht, wie gut er das Drehbuch auswendig gelernt hat, sondern, dass er die Rolle mit Leben füllt, seine eigene Interpretation mit einbringt und dabei den roten Faden einer Geschichte beibehält.
Allerdings steigt diese mediale Aufmerksamkeit manchen Darstellern zu Kopf und sie entwickeln oftmals ein narzisstisches Selbstbild, welches man nicht nur als Spielpartner, durch überhebliches Verhalten sondern auch als Team zu spüren bekommen kann. Verbunden mit dem hohen Zeitdruck einer Produktion kann der Ton am Set auch schon mal rau werden, was viele Darsteller nicht gewohnt sind. Wer beispielsweise schon einmal in der Gastronomie gearbeitet hat, kann bestätigen, dass es dort nicht anders verläuft – Willkommen in der heutigen Leistungsgesellschaft – aber das ist ein anderes Thema.
Wenn der Regisseur sich eine Szene trotz vollem Einsatz des Darstellers anders vorgestellt hat und ihn dementsprechend kritisiert, kann das neu erworbene Selbstbewusstsein dann auch ganz schnell umschlagen und es entwickelt sich das oben dargestellte negative Berufsbild aufgrund unzureichender Kommunikation beider Parteien oder mangelnder Kritikfähigkeit des Darstellers. Aber hey, wir sind alle nicht perfekt – und besonders in der Berufswelt kann man oft anecken. Meiner Meinung nach ist das Anecken in der Fernsehwelt aber durchaus zu verschmerzen, wenn man sich einmal dessen Vorzüge vor Augen führt. Im Folgenden nenne ich meine persönlichen Gründe, warum es sich lohnen könnte, einmal bei Scripted Reality reinzuschauen.
1. Alltagsauszeit
Für einige Tage aus seinem gewohnten Alltag gerissen zu werden und neue Erfahrungen zu sammeln ist einfach toll. Bei meiner ersten größeren Rolle, wurde ich eine Woche freigestellt und war die gesamte Zeit über in einem Hotel vor Ort untergebracht und konnte durch diesen krassen Gegensatz zum schulischen Alltag richtig Energie tanken. Für meine Oma gelte ich seit diesem Tag als Anwärterin auf den nächsten Oscar, aber auch das ist irgendwie amüsant.
2. Eine Portion Selbstbewusstsein bitte!
Natürlich steht nicht jeder Mensch gerne im Mittelpunkt, oder vor einer Kamera. Aber man sollte es einmal im Leben gemacht haben. Wer sich vor einer Kamera bewegen und sprechen kann, wird sich auch im privaten Umfeld viel besser und selbstbewusster präsentieren können. Dabei muss man nicht einmal das größte Schauspieltalent sein. Es geht wie gesagt nicht darum, das Drehbuch bis ins letzte Detail auswendig zu können, nein. Man sollte den Inhalt einer Szene im Hinterkopf behalten und sich dann so verhalten oder so argumentieren, wie man es auch im realen Leben tun würde. Zudem, keine Angst – nicht jede Rolle ist mit Textpassagen verbunden. Auch als Komparse, liebevoll auch „menschliche Deko“ genannt, kann man in vielen Produktionen mitwirken, in dem man im Hintergrund einer Szene einen beispielsweise alltäglichen Fußgänger spielt.
3. Finanzielles Zubrot
Das Mitwirken in einer TV Produktion ist bedeutet einen Nebenverdienst, für Schüler, Studenten, oder all jene, die zeitlich flexibel und sich gegebenenfalls einen ganzen Tag oder mehrere Tage bei größeren Rollen freinehmen können und wollen. Als Komparse verdient man zwischen 50 und 100 Euro, bei größeren Rollen, auch entschieden mehr. Das kommt aber ganz auf die Produktion an. Natürlich ist es herunter gerechnet auf den Stundenlohn nicht der bestbezahlte Job und je nach Format ist man auch schon mal von morgens um acht Uhr bis um sechs unterwegs, aber es lohnt sich definitiv – warum? Kommen wir zum nächsten Punkt…
4. Oh mein Gott – der ist in echt ja noch viel hübscher als im Fernsehen
Das waren in etwa meine ersten Worte, über einen Darsteller einer abendlichen Serie in der ich als „Deko“ mitgewirkt habe. Nicht nur im Bereich des Scripted Reality kann man als Kleindarsteller mitwirken. Auch in großen renommierten Soaps werden immer wieder Komparsen gesucht. Eine super Möglichkeit einmal hinter die Kulissen seiner Lieblingsserie zu schauen und hautnah die Arbeit ausgebildeter Schauspieler zu verfolgen.
5. Da steckt ja doch mehr drin, als man auf den ersten Blick sieht
Auch für allgemeine Interessenten des Medienbereichs, ist eine Rolle als Komparse oder Nebendarsteller geeignet. Man lernt die alltäglichen Abläufe einer TV-Produktion kennen und erkennt, wie viel Arbeit wirklich hinter der “ruckligen Kamera“ und den kurzen Interviews steckt. Neben dem Grundgerüst eines Teams, bestehend aus Kameramann, Tontechniker, Regisseur, Aufnahmeleitung und Set Runner, dem „Mädchen für alles“ steckt die meiste Arbeit unteranderem in den Büros. Da nicht chronologisch, sondern nach Verfügbarkeit eines Drehortes gedreht wird, wird in den lokalen Büroteams akribisch organisiert, wann, an welchem Drehort wie lange gedreht wird, welcher Komparse wann, für welche Rolle verfügbar ist, und und und. Ein wahnsinniger Aufwand für vierzig Minuten Sendung, die der Zuschauer letztendlich zu Gesicht bekommt.
Und als kleiner Tipp, für alle Bewerber in der Medienbranche: Das Mitwirken in solchen Produktionen kann gut im Lebenslauf ankommen, da eine Rolle immer mit Zuverlässigkeit, gutem Zeitmanagement und Selbstständigkeit verbunden wird. Ich finde: Es lohnt sich. Im Internet gibt es die Möglichkeit, sich als Komparse oder Kleindarsteller zu bewerben. Große Castingagenturen wie Filmpool suchen immer wieder neue Gesichter und auf der Seite www.komparse.de erscheinen auch täglich aktuelle Gesuche.
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