Ein Jahr ist es nun vorbei. 365 lange Tage ohne dich an meiner Seite. Unzählbar viele schlaflose Nächte, in denen ich an dich denken musste. So viele Versuche, über dich hinwegzukommen. Ich hatte nicht mehr dran geglaubt, aber jetzt sitze ich hier und aus meinen Tränen wurde tatsächlich ein Lächeln.
Es heißt immer, die Zeit heilt alle Wunden. Um ehrlich zu sein, war ich mir da zwischenzeitlich nicht mehr so sicher. Es wurde warm und wieder kalt. Die Blätter färbten sich grün, dann orange und fielen schließlich auf den mittlerweile kalten Boden. Nur an meinen Gefühlen für dich änderte sich nichts. Du warst immer noch das Erste, an das ich jeden Morgen denken musste und mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen. Mittlerweile hatte ich wahrscheinlich schon dafür gesorgt, dass keiner meiner Freunde mehr ihr Kind denselben Namen geben würde, wie du ihn trägst, da ihn niemand mehr hören konnte.
Nachdem ich mich lange Zeit darüber gewundert hatte, wie viele Tränen mein Körper produzieren kann, hörte er irgendwann damit auf. Zumindest meistens. Ich war eher wie ein versiegter Brunnen, dem jeder ansehen konnte, wie viele Tränen eine ganze Zeit lang geflossen waren. Kontakt hatten wir in all dieser Zeit so gut wie keinen. Zum Glück sah ich dich auch fast nie. Einige Male saß mir der Schock tief in den Gliedern, weil ein Mann dir so ähnlich sah, dass ich kurz dachte, er sei du. Oft wollte ich dich am liebsten sehen und dann wieder auf keinen Fall. Auf der einen Seite wollte ich mich vergewissern, dass es dir gut geht und auf der anderen hatte ich eine riesige Angst, dass mein kleines, hart zusammengebautes Kartenhaus zusammenfällt, sobald du vor mir stehst. Ich hatte Angst, noch stärker an „damals“ erinnert zu werden, als es sowieso schon der Fall war. Irgendwas zog mich in unserer gemeinsamen Zeit immer zu dir. Ich denke, wenn ich dir begegnen würde, würden die Schmetterlinge wieder aus ihren Kokons fliegen und mich der Drang überkommen, dir nahe zu sein.
Je öfter sich das Wetter änderte und desto häufiger ich es schaffte, an Orte zu gehen, obwohl ich befürchten musste, dich dort zu sehen, desto bewusster wurde mir, dass ich mich dafür interessiere, wie es einem Menschen geht, dem ich egal bin. Ich habe nie wieder von dir gehört. Die Antwort “Warum?” schmerzt und ist doch genauso simpel: Es interessiert dich einfach nicht, was mit mir ist, oder zumindest nicht genug. Manchmal stelle ich mir vor, wie ich dich treffe und darauf anspreche. Du sagst mir dann, dass du mich nur nicht noch weiter verletzen und vor mir schützen wolltest. Vielleicht stimmt das sogar, aber es ist mir egal. Während ich monatelang irgendwie versucht habe, durchzuhalten, hattest du mich schon ersetzt und ein neues Leben angefangen. Wahrscheinlich bin ich nur noch eine verblasste Erinnerung für dich.
Heute ist es genau ein Jahr her. Seit einem Jahr lebe ich nicht mehr in der Illusion, dass wir alles schon irgendwie hinbekommen. Und doch habe ich lange ganz fest daran geglaubt. Schließlich lief vieles auch so gut. Gerade deshalb tat das Ende so weh. Wir hatten so viel und wussten nicht, wie wir das Passende daraus machen sollen. Oder besser: Du hattest zu viel Angst, um zu bleiben und weißt du was? Das ist okay. Ich habe es ein Jahr ohne dich geschafft und ich werde so viele weitere Jahre packen. Ich brauche keinen Mann, der mich gehen lassen kann, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Den es nicht interessiert, wie es mir geht oder was aus mir geworden ist. Seit einigen Monaten warte ich nicht mal mehr darauf, dass du zurück kommst oder realisierst, was du verloren hast.
Was du tust und was du denkst, sollte keine Rolle mehr für mich spielen. So weit bin ich zwar noch nicht, aber ich nähere mich dem Punkt an. Dein Name fällt noch immer viel zu oft, der Gedanke, dass du mich hast einfach fallen lässt, könnte mich immer noch zum Weinen bringen, würde mein Körper Tränen produzieren und an manchen Tagen vermisse ich dich immer noch schrecklich, aber weißt du was? Es wird weniger. Gerade schaue ich aus dem Fenster meiner neuen Wohnung, in der du nie warst und sehe einen Baum mit grünen Blättern. Als du gegangen bist, war alles für mich grau: Jetzt hat es wieder Farbe. Du hast mir vielleicht das Herz gebrochen, aber du hast mir nicht den Glauben genommen, dass da draußen jemand mit dem passenden Klebstoff auf mich wartet, der dieses wieder zusammenflicken kann und der das begreift, was du nie verstanden hast: Dass ich es wert bin, bei mir zu bleiben. Habe ich all die Monate mit zwei weinenden Augen zurückgeblickt, schaffe ich es mittlerweile, mit einem zu lächeln. Ja, du bist mir nicht egal und mein Herz wird weich und warm, wenn ich an dich denke. Noch immer. Das zeigt aber nur, wie unfassbar viel du mit mir verloren hast.
Wir hatten unsere Chance, es zu schaffen und ich habe es wirklich sehr gehofft. Und so sehr ich dich auch vermisse und mir wünsche, dass die Dinge anders wären, ist die Wahrheit, dass ich sehr wohl weiß, dass du nicht der Eine für mich bist. Zumindest nicht die Version, die du gerade lebst. Ich bin noch nicht über dich hinweg. Zumindest noch nicht ganz. Dafür ist noch zu viel da. Nichtsdestotrotz brauche ich mehr: Sicherheit, Bindung und Vertrauen-Dinge, die du mir nie geben wirst.
Ich wünsche mir immer noch an manchen Tagen, dass du vor mir stehst, alles bereust und wir noch eine Chance haben, aber es werden immer weniger und ich weiß, dass sie eines Tages ganz zur Vergangenheit gehören werden. Ich freue mich auf das, was vor mir liegt, auch wenn es ohne dich ist. Ich freue mich sogar darauf, jemanden kennenzulernen, der nicht du bist und nicht deine Fehler macht. Mein Leben wird endlich wieder bunter. Ich lache wieder mehr, ich habe Spaß, ich bin wieder ich. Und in diesem Leben ist kein Platz mehr für jemanden, der mich einfach gehen lassen kann. Kein Platz für dich.
PS: …und trotz allem frage ich mich, ob wir uns nicht eines Tages per Zufall gegenüber stehen und doch noch eine Chance haben. Du fehlst gerade. Aber das ist gut so.
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