Klimaktivismus ist nicht zuletzt durch Fridays For Future in aller Munde. Über Lichtverschmutzung redet dagegen niemand. Alexander Pietschmann ist Aktivist bei den „Paten der Nacht“ und möchte nicht zuletzt mit der Earth Night mehr Aufmerksamkeit für die schöne und schützenswerte Seite der Nacht schaffen. Ein Portrait von Andrea Schöne.
Für viele Menschen hat die Nacht keine große Bedeutung mehr, außer womöglich als junger Mensch das Nachtleben in Diskos zu genießen und „die Nacht zum Tag zu machen“ oder nachts das Haus zu beleuchten, in der Hoffnung, Einbrecher*innen zu entgehen.
Alexander Pietschmann dagegen wünscht sich vielmehr die klare Nacht zurück – ungestört von künstlicher Beleuchtung. Alexander ist Hobbyastronom und muss mit seinem Teleskop ungefähr zwanzig Kilometer aus seiner Heimatstadt Rosenheim hinausfahren, um die Sterne zu beobachten. „Da ist es relativ dunkel, aber du siehst trotzdem noch die Lichtglocken von Rosenheim, München und Salzburg“, erklärt er sehr ernst im Gespräch.
Eine Lichtglocke entsteht, wenn Lichtquellen frontal Licht ins Weltall strahlen. An Staubpartikeln und Wassertröpfchen wird das künstliche Licht in vielfacher Weise reflektiert und zur Erde zurückgestrahlt. Daher kann man eine Lichtglocke auch als Lichtsmog bezeichnen. Lichtglocken strahlen bis zu 100 Kilometer um einen Ort herum.
Lichtverschmutzung: Wenn die Nacht künstlich hell wird
Alex schaut nicht tatenlos zu, wie der Nachthimmel immer mehr zum Tag wird. Im Frühjahr letzten Jahres entstand bei einem Astronomiestammtisch die Idee, etwas gegen die Lichtverschmutzung zu unternehmen. Initiator des Projekts ist der Physiker Manuel Philipp, welcher bereits den Sternenpark Winklmoosalm auf die Beine gestellt hat und zahlreiche Vorträge darüber hält, wie man Lichtverschmutzung vermeidet. Im September gründeten sie zusammen mit zahlreichen Aktivist*innen die „Paten der Nacht“. Aktuell engagieren sich 26 Aktivist*innen aus ganz Deutschland und verschiedenen Alters gegen Lichtverschmutzung.
Unter Lichtverschmutzung verstehen die „Paten der Nacht“ die Aufhellung des Nachthimmels durch menschengemachtes künstliches Licht. Quasi so wie der Klimawandel durch menschengemachte Erderwärmung. Die Sorgen um die Umwelt auf der Welt sind zahlreich.
Engagement gegen Lichtverschmutzung als Fürsorgepflicht – Das machen die „Paten der Nacht“
In erster Linie wollen die „Paten der Nacht“ die Gesellschaft über die Auswirkungen auf Mensch und Natur durch Lichtverschmutzung aufklären und bieten Lösungen an, wie Lichtverschmutzung vermieden werden kann. Darin sehen die „Paten der Nacht“ eine Fürsorgepflicht. Grundidee des Projekts ist, Patenschaften für die Nacht zu übernehmen, indem beispielsweise ein Geschäft entscheidet, nachts die Beleutung auszuschalten. Entscheidet sich ein Geschäft dafür, das Beleutungskonzept zu verändern, werden sie als Belohnung und kostenfreie Werbung auf der Homepage der „Paten der Nacht“ erwähnt. Alex ist mit dem Erfolg bisher ziemlich zufrieden.
Sie bieten auch Vorträge zur Aufklärung an, die von Schulen und Sternwarten schon gut angenommen werden. Ein Kollege von Alex vom Bodensee wurde für einen Vortrag bei der Landesgartenschau gebucht.
Warum Sternwarten in den Städten heutzutage keinen großen Nutzen mehr haben
Am meisten fällt Alex das unnötige künstliche Licht auf, wenn er nachts mit dem Auto fährt oder spazieren geht. „Ich denke mir, um 23 Uhr oder um Mitternacht geht niemand mehr an einem Schaufenster vorbei und guckt da rein. Und das ist verschwendete Energie, denn viele machen sich darüber wenige Gedanken.“ Oftmals sitzt er daher fluchend im Auto, am meisten fällt ihm die unnötige Beleuchtung von Firmengebäuden auf.
Die praktischen Folgen der Lichtverschmutzung bemerkt Alex am meisten, wenn er sein Teleskop in den Nachthimmel richtet. „Man merkt deutlich den Unterschied, ob man in der Stadt, am Stadtrand oder wirklich im Nirgendwo ist“, beschreibt Alex die Unterschiede.
Das Sternbild „Großer Wagen oder Planeten, wie den Saturn, erkennt er gerade noch am Nachthimmel von Rosenheim, weil diese sehr hell strahlen. Die Qualität seiner Beobachtungen leidet trotzdem an dem vielen künstlichen Licht. Die Milchstraße erkennt er nicht mehr. Am Stadtrand wird es dann viel einfacher, dunkle Plätze zu finden. Alex betont, dass die Lichtverschmutzung in den Städten nicht immer so war. „Es wurden nicht ohne Grund die ganzen großen Sternwarten in großen Städten gebaut.“ Heute bekommt man nur noch im Planetarium einen Blick auf eine sternklare Nacht.
Mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft durch Earth Night
Damit die Gesellschaft sich mehr Gedanken über die Folgen von Lichtverschmutzung macht, organisieren die „Paten der Nacht“ am 17. September zum ersten Mal die bundesweite Earth Night. Wenigstens einmal im Jahr sollen sich die Menschen pünktlich zum Neumond klar werden, welche Folgen künstliches Licht auf die Nacht hat. Die Idee ist angelehnt an die Earth Hour, eine jährlich im März weltweite Aktion als Zeichen gegen den Klimawandel. Hier wird für eine Stunde das Licht ausgeschalten.
Die Earth Night ist radikaler. „Wir haben uns schon öfter darüber unterhalten, dass wir die Earth Hour ein bisschen zu wenig finden und warum es nicht eine ganze Nacht gibt.“ Die Planungen begannen erst im Sommer, daher ist die erste Aktionsnacht eher kurzfristig geplant. Dennoch erreicht sie schon prominente Unterstützer, wie den Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar, oder die Stadt Aachen als Partner. Von der Aktion erhofft Alex sich mehr Medienpräsenz für das Thema und ihr Engagement, da diese auch viel Arbeit und Geld bedeutet. Alex arbeitet ehrenamtlich für den Schutz der lichtfreien Nacht, ansonsten arbeitet er als Fein-Elektroniker.
Insbesondere müssen die Menschen ein Bewusstsein entwickeln, dass das meiste ausgestrahlte Licht gar nicht genutzt wird. Laut Alex heizt der unnötige Energieverbrauch auch die Klimakrise weiter an. „Wir haben ausgerechnet, dass man zwei Kraftwerke in Deutschland abschalten könnte, wenn die Lichtquellen, die nicht dorthin leuchten wo sie hin leuchten, abgeschalten werden, weil das ein immenser Energieverbrauch ist.“
Engagement gegen Lichtverschmutzung leicht gemacht
Alex hat auch weitere Anreize, die dafür sprechen, sofort etwas gegen die Lichtverschwendung zu unternehmen, weil es für jeden ziemlich einfach ist: Vorhänge zumachen und fertig. Im Außenbereich des Hauses können Bewegungsmelder angebracht werden und darauf achten, dass auch wirklich nur der Weg beziehungsweise der Eingangsbereich direkt beleuchtet werden. Auch das Leuchtmittel hat einen großen Einfluss. Warmweißes oder gelbliches Licht hat für Mensch und Natur keinen so negativen Einfluss wie Leuchtmittel mit einem hohen Blauanteil, weil blaues Licht auch im Tageslicht enthalten ist.
Immer problematischer sei jedoch die LED-Straßenbeleuchtung, weil hier vor allem Leuchtmittel mit einem hohen Blauanteil genutzt wird. Das Problem läge bei den staatlichen Fördermitteln, beschreibt Alex. Will eine Gemeinde die Straßenbeleuchtung umrüsten, braucht diese finanzielle Unterstützung. Diese erhält sie aber nur, wenn sie die effizienteste LED-Beleuchtung nutzt und diese wiederum hat einen hohen Anteil an blauem Licht. LED-Lampen mit einem geringeren Blauanteil haben noch 3% weniger Lichteffizienz.
Was sich in der Zukunft ändern muss
Im Gegensatz zum Klimawandel sieht Alex in der Beseitigung der Lichtverschmutzung schnelle Möglichkeiten, dass die Natur sich wieder erholt. Ohne Lichtquellen, die auf die Natur einwirken, gibt es auch keine Lichtverschmutzung.
Für die Zukunft wünscht sich Alex vor allem mehr Aufmerksamkeit für das Thema. Schon in der Grundschule könne man Kindern beibringen, nachts das Licht auszuschalten, um Tiere zu schützen. Auch in den Medien muss die Problematik von Lichtverschmutzung präsent werden. Viele Menschen wissen nach wie vor nicht, was das überhaupt bedeutet. Ein Traum wäre, die Earth Night in der Zukunft als eine weltweite Aktionsnacht, wie die Earth Night zu erleben. „Vielleicht schaffen wir es sogar, dass weltweit Städte, Gemeinden und Firmen mitmachen und dann irgendwann in der Tagesschau gesagt wird: ‚Heute findet wieder die Earth Night statt.“
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