Elli, Du machst den Trendsport seit sechs Jahren und hast schon an vielen Wettbewerben teilgenommen. An welchen erinnerst Du Dich besonders gerne zurück?
Meinen emotionalsten Wettbewerb hatte ich vor drei Jahren in Österreich. Das war mein erster Contest und ich habe gegen die Männer mit internationaler Konkurrenz ganz unerwartet den ersten Platz gemacht. Ich habe selber nicht damit gerechnet und die Männer haben auch große Augen gemacht. Als die Jury gesagt hat, dass ich gewonnen habe, kamen mir fast die Tränen. In Amerika ein Jahr später bin ich genau so unerwartet Dritte geworden, das war auch toll.
Es gibt nicht viele Frauen, die Slackline machen, bei Wettbewerben trittst Du vor allem gegen Männer an. Wie unterschiedlich gehen die den Sport an?
Ich glaube, dass man das gar nicht so einfach unterscheiden kann. Generell haben Männer die höhere Risikobereitschaft, sie trauen sich mehr. Sie haben mehr Schnellkraft und machen die spektakuläreren Tricks. Bei mir ist es so, dass ich auch viele statische Tricks mache, was den Männern weniger liegt. Es gibt allerdings eine junge Brasilianerin, die ähnlich abgeht wie die Männer. Slackline ist etwas ganz eigenes, jeder hat seinen eigenen Style, weil man sich alle Tricks selbst überlegen kann und keine Grenzen gesetzt sind.
Wie kommst Du auf die neuen Tricks?
Das kommt ganz spontan. Wenn in der Bewegung der Gedanke kommt `Vielleicht kann ich dabei noch das Bein überschlagen´, dann probiere ich das aus und versuche mit den verschiedenen Tricks zu spielen. Aber mittlerweile wird es immer schwieriger etwas Neues zu finden. Ich bin seit den Anfängen des Sports vor sechs Jahren dabei, da gab es noch viele Möglichkeiten. Auf jedem Contest wurde etwas noch spektakuläreres gezeigt. Mittlerweile ist das Niveau sehr hoch. Um selber neue Tricks zu lernen, schaue ich mir Videos auf YouTube an oder lerne sie vom Austausch auf internationalen Contests.
Guckt man sich da auch schon mal was bei der Konkurrenz ab?
Ich schaue mir die Tricks an und überlege, wie ich am besten kontern kann. Beim Contest werden die Tricks ganz spontan aneinander gereiht, alles ist sehr variabel. Es gibt keine festen Reihenfolgen. Ich habe ein paar Tricks, die ich auf jeden Fall zeigen möchte, dazu baue ich ohne vorherige Planung weitere Elemente. Je höher der Schwierigkeitsgrad, der aneinander gereihten Tricks, desto besser.
Dein Markenzeichen ist der „Ellicopter“, ein einarmiger Handstand auf der Slackline, bei dem Du parallel zum Boden Deinen Körper über der Leine drehst.
Die Bewegung an sich gibt es schon sehr lange, die gehört zu meinem klassischen Repertoire. Den Trick können nicht viele und ich bin auch die einzige, die sich dabei auf der Leine drehen kann. Der Name ist aber erst vor kurzem bei einem Contest in Spanien entstanden, den hat sich ein Moderator dort ausgedacht.
Für die Jury ist es sicher schwer, diese unterschiedlichen und spontanen Choreografien zu bewerten.
Es gibt verschiedene Kriterien wie Kreativität, Höhe, Technik und Schwierigkeit, die eine relativ objektive Bewertung möglich machen. Vor allem den Schwierigkeitsgrad und die Kombination der Tricks kann die Jury gut beurteilen. Aber gerade wenn man einen ausgeglichenen eins-gegen-eins-Battle hat und es um den Kreativität/Vielfalt geht, ist das schwer auseinanderzuhalten und sehr subjektiv.
Was ist wichtiger: Körperliche Fitness oder Konzentration?
Es ist sehr schwierig die Leistung beim Contest unter Druck auf den Punkt zu bringen. Früher beim Leichtathletik habe ich alles rausgepowert, was ich kann, beim Slackline muss ich feinkoordiniert sein. Dazu muss man noch das Publikum ausblenden und den Moderator, der im Hintergrund kommentiert. Außerdem beeinflusst einen der Gegner, man bekommt schon mit, was der für Tricks macht. Je ähnlicher die Leistungen in einem Battle sind, desto nervöser bin ich auch. Aber ich habe die Erfahrung vom Turnen und die von vielen Contests.
Wie oft trainierst Du?
Ich sehe Slackline für mich nicht als klassischen Leistungssport. Ich versuche zwei, drei Mal in der Woche zu trainieren, immer nur so oft, wie ich Lust habe. Das ist wichtig, um den Spaß nicht zu verlieren. Nebenbei trete ich auf Shows auf oder gebe Workshops. Zusätzlich mache ich weitere Ausgleichssportarten wie Klettern oder funktionelles Krafttraining, um einseitige Belastungsschäden zu vermeiden.
Du leitest neben Deinem Master-Studium eine Slackline-AG. Wie gelingt Anfängern ein leichter Einstieg in den Sport?
Am Anfang spannt man die Leine nicht so lang und nicht so hoch, sodass man die Distanz gut schaffen kann und die Schwingungen nicht so intensiv sind. Die Schwingungen sind zu Beginn sehr schwer zu kontrollieren. Dann muss man ganz viel Zeit auf der Leine verbringen um sich an die Eigenschaften zu gewöhnen. Die erste Technik: Die Füße parallel zur Leine, Knie gebeugt, Oberkörper aufrecht und einen visuellen Fixpunkt suchen. Später kann man das Tricklinen sehr gut mit dem Trampolin springen vergleichen.
Das sieht auf den ersten Blick gar nicht so schwer aus.
Anfangs zittert der Körper, weil er nicht weiß, wie er die Muskeln ansteuern soll und die Ausgleichsimpulse viel zu schnell kommen. Aber man gewöhnt sich relativ schnell daran. Dann braucht es eine gewisse Zeit und Erfahrung, um die Tricks perfekt drauf zu haben. Ich habe sogar schon mal ein Jahr für einen neuen Trick gebraucht. Die Basics sind der Sitzsprung und der Bauchsprung, die dann mit halben bis dreifachen Drehungen kombiniert werden. Man kann zum Beispiel vom Sitzen mit einer Drehung auf den Bauch springen oder sogar Saltos machen… eigentlich ist fast alles möglich.
Liebe Elli, vielen Dank für das Gespräch!
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