Die digitale Welt vermag es mit wenigen, punktgenauen Hilfsmitteln, Menschen mit Behinderungen vom Rand in die Mitte zu holen. Egal, ob Hilfsmittel zur Kommunikation, für die Motorik oder eine Maschine für Braille-Schrift: Das alles gibt es nur, weil die Digitalisierung uns alle vorangebracht hat.
Viele erinnern sich nur durch Schulbücher daran; Es gab eine Zeit ohne Smartphone, eine Zeit ohne Laptop, eine Zeit ohne das Internet. Was war das damals für ein Leben? Es gab Natur, es gab Freunde und es gab Menschen ohne Perspektiven. Denken wir mal an die Menschen, denen die Fähigkeit zu sprechen aufgrund einer Erkrankung genommen wurde. Du denkst, es sei hoffnungslos, diese Menschen können sowieso nichts lernen? Wir können nicht verstehen, was diese Menschen uns mitteilen möchten?
Reisen wir in der Zeit zurück
Schon in den 1940er Jahren erkannte Charles K. Bliss, dass für die Verständigung verschiedener Menschen, sei es aufgrund ihrer Herkunft oder wegen körperlicher Einschränkungen, eine gemeinsame „Sprache“ in Form von kulturübergreifenden Symbolen notwendig sein könnte. Er entwickelte die sogenannten Bliss-Symbole. Das ist eine große Sammlung an Bildern und Zeichen, die für jeden verständlich waren.
Erste Schritte in der digitalen Kommunikation gab es in den 1970 er Jahren. Erfolgreiche Versuche, in Deutschland die digitale Kommunikation bei Menschen mit Behinderungen einzusetzen, wurden zum Beispiel an der Martinsschule in Ladenburg erprobt. An dieser Studie nahmen noch einige weitere Schulen bundesweit sowie die Universität Hannover teil.
Möglichkeiten der Digitalisierung für Menschen mit Behinderung
Erst im Frühjahr dieses Jahres verstarb eine ganz große Figur der unterstützten, digitalen Kommunikation. Der weltbekannte Astrophysiker Stephen Hawking hat seinen Sprachcomputer für immer ausgeschaltet. Nach langer Krankheit verstarb er an ALS. Ohne seinen Sprachcomputer hätte er schon im frühen Verlauf seiner Erkrankung seinen Beruf, das Lehren und Forschen in der Astrophysik aufgeben müssen. Die Krankheit nahm ihm in jungen Jahren die Sprache und ein Computer hat sie ihm wiedergegeben.
Auch ich wäre nicht da, wo ich heute bin, wenn ich nicht meinen Laptop als Arbeitsgerät besäße. Er schreibt, was ich diktiere, er war zu Schulzeiten mein Schulbuch und zugleich meine Schultasche. Vor nicht allzu langer Zeit bin ich vielen meiner Freunde gefolgt und habe mir ein Tablet angeschafft. Der Gruppenzwang hat mich zu einer weiteren Digitalisierung und Vernetzung meines Umfelds gebracht.
Die blinde ehemalige Sportlerin Verena Bentele, bis vor kurzem Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und heute Bundesvorsitzende des Sozialverbands VdK, wäre nicht da, wo sie heute ist. Sie ist blind. Die Braille-Schrift (umgangssprachlich Blindenschrift) ermöglicht es ihr durch Tasten mit den Fingern, zu lesen. Ein Computer oder ein Laptop hilft ihr ebenfalls beim Lesen, in diesem Falle jedoch mit den Ohren.
Doch die Digitalisierung hilft nicht nur, Einschränkungen zu überwinden, sie trägt auch zum Austausch unter Behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen bei. Soziale Medien, E-Mail oder ein Video-Chat sowie Austausch und Beratung sind wichtig, um mit der jeweiligen Situation klarzukommen.
Es gibt auch Kritik
Die Digitalisierung, Smartphones sowie das Internet im Allgemeinen haben viele Kritiker. Zu Recht, gefahrlos sind die ganzen Erfindungen alle nicht. Ein Smartphone sammelt Daten über den Nutzer, ein Laptop sammelt Daten über den Nutzer, was tut dann ein Sprachcomputer? Die meisten würden jetzt sagen, ist doch klar: Daten sammeln.
Weit gefehlt, ein spezieller Sprachcomputer für die reine Kommunikation eines Menschen mit Handikap ist nicht an das Internet angeschlossen. Somit hat das Gerät nicht die Chance, ununterbrochen Daten über die Nutzer zu sammeln. Wenn der Computer neu programmiert werden soll, muss er extra mit einer Software geändert oder ins Werk eingeschickt werden.
Trotzdem muss man betrachten, dass gerade Sprachcomputer für Kinder es nicht zulassen, etwas anderes zu sagen, als einprogrammiert wurde. Somit können die Kinder also lediglich den Ausdruck von Grundbedürfnissen erkennbar machen. Seltenere Bedürfnisse, die nicht standardmäßig programmiert wurden, gibt es dann einfach nicht. Für Jugendliche und Erwachsene gibt es aber spezielle Versionen mit Tastatur, um komplexere Äußerungen wiederzugeben.
Die Mischung macht‘s
Wie wir sehen, die digitale Kommunikation erweitert den Horizont und die Möglichkeiten vieler Menschen mit und ohne Behinderung. Doch es gilt auch, dass die Digitalisierung Gefahren mit sich bringt. Der Psychiater Manfred Spitzer würde sagen, dass die Digitalisierung und die Verfügbarkeit elektronischer Medien die Menschheit verdummen würde.
Ich jedoch sage, dass die Digitalisierung nicht nur Menschen mit Einschränkungen weiter in die Mitte der Gesellschaft holen kann, sie hat auch in vielen anderen Bereichen des Lebens einiges transparenter gemacht und auch die Fähigkeiten von Menschen ohne Einschränkung enorm erweitert. Es ist nicht so, dass analoge Hilfsmittel wie die Bliss-Symbole nicht mehr gebraucht werden, wenn alle digital miteinander kommunizieren. Das Ganze kann auch parallel zueinander existieren; das Potenzial, Menschen vom Rand in die Mitte der Gesellschaft zu holen, haben beide Möglichkeiten.
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