Zurzeit findet in Krakau (Polen) der 31. Weltjugendtag statt. Bis zum Abschlussgottesdienst am Sonntag erwarten die Veranstalter gut 1,5 Millionen aus 185 Ländern. Stefan Matthaei ist vor Ort und hat Menschen aus der ganzen Welt getroffen – ein Reisebericht.
Montag – Anreise:
Am frühen Morgen kommen wir noch etwas ramponiert von der langen Busfahrt in unserer Unterkunft in Myslowice an. Jubelnd werden wir von den polnischen Volunteers in Empfang genommen und auf eine Schule bzw. mehrere Gastfamilien verteilt. Ich komme mit zwei anderen Pilgern in eine supernette Familie. Von nun sorgt sich Josepha – so heißt meine Gastmutter – rührend um uns. Sie kann zwar kein Englisch, wir dafür kein Polnisch. Aber das wird schon irgendwie klappen. Geschlaucht von der langen Busfahrt unternehme ich heute nicht mehr viel. Abends gibt es noch eine kleine Party mit den polnischen Freunden vor Ort.
Dienstag – Wo liegt Belize?
Am Morgen kocht Josepha richtig auf. Hilflos schauen wir drei auf den Essensberg der sich vor uns auftürmt. Wer soll das essen? Fisch, Fleisch, Käse, Wurst, Früchte, Marmelade, … Wir können nicht mal alles probieren. Josepha ist erst besänftigt, als sie uns ein Lunchpaket machen darf. Von Myslowice braucht man zwei Stunden mit dem Zug nach Krakau. Zunächst hatte ich mich darüber aufgeregt. Aber jetzt entpuppt sich das als Glücksfall. Die Zugfahrt ist die Gelegenheit, mit anderen Leuten aus den unterschiedlichsten Nationen in Kontakt zu kommen. Ich lerne einen Pater aus Kanada kennen, der mit einer Gruppe aus Belize da ist. „Wo ist Belize“ muss ich nachfragen. „In Mittelamerika“ – erfahre ich. An einer weiteren Station steigt eine große Gruppe Franzosen ein. Der Zug platzt aus allen Nähten und es ist ziemlich heiß – Klimaanlage? Fehlanzeige. Dafür ist die Stimmung super. Es wird gesungen und gelacht.
Fest der Länder
Als ich in Krakau aussteige. Gibt sich mir ein buntes Bild. Der ganze Bahnhof ist voller Fahnen und vollgestopft mit Leuten aus aller Herren Länder. Das gleiche Bild auf den Straßen und in den Parks. Überall ist eine ausgelassene Stimmung förmlich greifbar. Immer wieder fröhliche Sprechchöre. Sicherheitskräfte und kreisende Militärhubschrauber erzeugen kurzzeitig ein flaumiges Gefühl im Magen – aber das gibt sich, hoffentlich. Ich laufe durch die Stadt und besuche Bekannte in einem Pfadfindercamp in einer großen Grünanlage. Sie helfen als Freiwillige beim Weltjugendtag mit.
Ist der Zug „timingly“?
Auf der Rückfahrt ist es nicht ganz so voll wie auf der Hinfahrt. Gelegenheit für ein Gespräch mit Juan und seiner Freundin. Sie kommen aus der Dominikanischen Republik. Da mein Spanisch etwas eingerostet ist ;), greifen wir auf eine Übersetzer-App seines Smartphones zurück. Etwas holprig geht es zu, dafür umso herzlicher. Wir tauschen kleine Geschenke aus unserer Heimat aus. Zum Ende der Reise möchte Juan noch etwas von mir wissen und greift zum Smartphone. Das zeigt mir „Timingly?“. Er möchte wohl wissen, ob wir pünktlich sind. „Hoffentlich“ antworte ich.
Polnisches Donnerwetter
Als wir aus dem Zug aussteigen, gewittert es und regnet in Strömen. An der Bushaltestelle helfen nasse polnische Volunteers fröhlich weiter. Überall steht das Wasser. Als ich nach Hause komme, bin ich total durchnässt, Josepha empfängt mich lächelnd im Nachthetmd. Ob ich einen heißen Tee will? Dankend lehne ich ab.
Mittwoch – Zurück in die Schulbank?
Seit gestern ist der Weltjugendtag offiziell eröffnet. Der Tag startet für uns mit einem Frühstück – ähnlich wie gestern. Josepha packt uns dieses Mal Obst ein. Damit wir auch genug Vitamine zu uns nehmen – ist zumindest meine Vermutung – und lasse das Obst versehentlich (wirklich!) liegen. Heute ist Katechese angesagt. Was war das gleich nochmal? Stimmt! Glaubensunterricht. Zwar müssen wir dafür die Kirchenbank und nicht die Schulbank drücken, aber die zwei deutschen Bischöfe machen das sehr unterhaltsam und die Kirche ist gut gefüllt. Anschließend wird noch die heilige Messe gefeiert.
No way
Mit etwas Glück erreiche ich gerade noch den nächsten Zug nach Krakau. Weil es schon Mittag ist, geht es diesmal entspannter zu. In Krakau wieder das gleiche Bild wie gestern. Nur die Polizisten lassen uns nicht mehr überall hin. Offensichtlich versucht man die Besuchermassen besser zu steuern, damit es zu keinen Verstopfungen kommt.
In der Ruhe liegt die Kraft
Am Nachmittag geht es zum Blonia-Gelände. Hier säumen zahlreiche Beichtstühle die Wege. Auf den Beichtstühlen stehen die Sprachen, die der jeweilige Priester spricht. Bei Deutsch lege ich einen Stopp ein. Anschließend kann ich im großen Anbetungszelt innerlich auftanken. Ich treffe einen Bekannten aus Deutschland. Die Welt ist klein.
Argentinische Tanzfreude
Die Welt ist klein, aber Krakau ist groß. Zwar ist heute deutscher Pilgerabend (immerhin sind 15 000 Deutsche in Krakau), aber ein Blick auf die Karte verrät mir, dass das ziemlich weit vom Bahnhof entfernt ist. Zu weit für mich. Ich will heute noch irgendwann ins Bett. Also direkt zum Bahnhof, noch schnell ein Eis und ab in den Zug. Hier laden diesmal die Argentinier zum Tanz ein. Die Tanzmusik wird selbst gemacht, dazu wird geklatscht.
Als ich wieder in meinem Zimmer in der Gastfamilie bin, staune ich nicht schlecht. Josepha hat während meiner Abwesenheit meine Jeans und meine Hemden gewaschen und gebügelt…
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