Was passiert eigentlich mit Flüchtlingen, die auf Malta „stranden“? Was für Möglichkeiten und Chancen haben sie? Einer von ihnen ist „Fish“ aus Eritrea. Im Rahmen eines Jugendaustausches zwischen Deutschland und Malta hat er seine Geschichte erzählt. Und auch über die Einstellung der Malteser zu den Flüchtlingen konnten die Jugendlichen einiges erfahren. Vor allem, dass es Hoffnung gibt. Integration kann funktionieren – wenn alle mithelfen.
Für eine Woche bin ich auf der Insel im Mittelmeer, einer der südlichsten Punkte Europas. Eine der Inseln, die in der jüngeren Vergangenheit häufig wegen ankommender Flüchtlingsboote in den Schlagzeilen war. Malta hat schon viele Flüchtlinge aufgenommen. Diese werden in sogenannten Open Centers aufgenommen. Insgesamt gibt es acht davon auf der Insel. 2014 waren laut UNHCR, der UN Flüchtlings-Behörde, 2.220 Flüchtlinge in diesen Centern untergebracht. Im Juli 2015 waren es noch 770, weil viele Flüchtlinge weitergezogen sind und keine neuen Boote mehr ankamen.
Lebendige Geschichten
Er nennt sich „Fish“, weil sein afrikanischer Name für die Europäer zu kompliziert ist. Heute erzählt er mir und den anderen seine Geschichte als „lebendiges Buch“, denn Menschen können genauso spannende Geschichten erzählen wie Bücher. Vor sechs Jahre startete Fish seine Flucht aus Eritrea, damals war er 19 Jahre alt. Er wollte einfach an einen besseren Ort, das war immer sein Ziel. Zunächst ging er nach Äthiopien, dort wurde er in einem Lager untergebracht, musste etwas arbeiten, aber sonst bestand sein Alltag nur aus Essen, Trinken und Schlafen. Kein Alltag für einen Mann, der leben und etwas erreichen will. So fand er den Weg in den Sudan. Dort arbeitete er sehr viel, aber er hatte keine Freiheiten. Also weiter, nach Libyen. Zusammengepfercht mit 130 anderen Leuten ging es mit einem Truck durch die Wüste. Zwei Tage lang ohne Halt, für jeden nur eine kleine Wasserflasche. „Fünf Menschen haben die Überfahrt nicht überlebt“, sagt „Fish“.
Auch in Libyen probierte er sich ein Leben aufzubauen, doch er fand nicht richtig Zugang zu den Einheimischen. So bestieg er, immer noch auf der Suche nach einem besseren Ort, ein Boot ohne Kapitän, um auf das Mittelmeer hinauszufahren. So landete er schließlich auf Malta. Seit vier Jahren lebt er jetzt hier. Er sagt er habe Glück gehabt und kann als Friseur Geld verdienen. „Ich bin glücklich mit meiner Situation, aber nicht wenn ich zurückdenke. Denn viele meiner Freunde sind einfach verschwunden, haben es nicht geschafft“. Ich merke, wie hart es für ihn ist, über diese Erfahrungen zu sprechen. Manchmal zittert seine Stimme ein bisschen, aber ich höre auch, wie erleichtert er ist. Vor allem, als er noch kurz über seine Zukunft spricht: „Es steht schon fest, dass ich in einem Jahr nach Amerika gehen kann.“ Im Stillen wünsche ich ihm alles Gute und hoffe, dass er dort endlich den Platz findet, den er gesucht hat und dass seine scheinbar unendlich lange Reise ein Ende hat.
Das Problem bleibt aktuell
Bei einem Zusammentreffen mit Flüchtlingskindern ist mir aufgefallen, dass die meisten von ihnen fließend Maltesisch sprechen, das hat mich verwundert. Mir wird erklärt: „Die Kinder gehen in die ‚government schools‘, dort wird auf Maltesisch unterrichtet. So können sie sich später besser in die Gesellschaft integrieren.“ Die meisten Eltern kriegen Arbeit vermittelt. Rachel aus Malta, die auch am Austausch teilnimmt, sagt: „Die Flüchtlinge übernehmen unsere minderen Arbeiten, wie zum Beispiel Tellerwäscher oder Putzfrau. Das ist gut, weil unglücklicherweise sowieso nur wenige Malteser solche Arbeiten übernehmen wollen.“
Die 21-Jährige erzählt von sich und ihrem Volk: „Die meisten Leute fangen jetzt an sich zu öffnen. Sie erkennen, dass etwas getan werden muss. Vorher war diese Einstellung nicht da.“ Dabei würden vor allem kulturelle Aktivitäten helfen. Viele Malteser seien zum Beispiel sehr interessiert in afrikanischer Musik oder afrikanischem Essen. Das hilft Kontakte zu knüpfen. Von seiner Geschichte her ist Malta ein sehr multikulturelles Land mit vielen verschiedenen Einflüssen, jetzt entdecken die Malteser das wieder. Im Moment ist Malta nicht so sehr im Blickpunkt der Flüchtlingsproblematik, die Konfliktpunkte liegen an anderen Stellen Europas. Rachel bestätigt mir das: „Im Moment passiert hier nicht so viel. Aber zum Beispiel gab es einen tragischen Moment vor einigen Monaten. Damals wurden auf einmal Kinderleichen an unseren Stränden angespült. Das hat uns wieder gezeigt, dass wir nicht die Augen verschließen dürfen, sondern dass das Problem immer noch aktuell ist.“
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