17,5 Milliarden Eier essen die Deutschen im Jahr – wissen wir wirklich, woher sie stammen und was sich hinter Eierkartons und Betonwänden verbirgt? Warum sich in der Hühnerhaltung dringend etwas ändern muss.
Die Qual der Wahl
Zugegeben, steht man im Supermarkt zwischen den Eierkartons und vergleicht auf der Verpackung die Bilder von den Hühnern in Boden-, Freiland- und Biohaltung, stellt man keine großen Unterschiede fest. Auf allen Fotos sieht man hübsche Hennen mit gepflegtem Gefieder, drumherum je nach Haltung Stroh oder eben Gras. Muss man sich dann für die Preisklasse entscheiden, gibt es größere Abweichungen: Zehn Eier aus Bodenhaltung bekommt man im Kaufland momentan ab 0,99 Euro, die aus Freilandhaltung für 1,39 Euro, für 1,55 Euro kann man sechs Bio-Eier kaufen (auf zehn Eier umgerechnet wären das 2,58 Euro).
Ob die Hühner bei 10 Cent „Tageskosten“ tatsächlich so adrett aussehen? Sieht ihr Zuhause wirklich so nett aus wie die Scheune vom Bauernhof im nächsten Dorf? Wer das glaubt, dem sollte man wortwörtlich den Vogel zeigen. Die Probleme in der intensiven Legehennenhaltung sind nicht unbekannt: Überfüllte Ställe, Krankheiten, verletzte, gehackte und geradezu gerupfte Tiere. Fast jeder hat schon einmal Fotos oder Videoaufnahmen aus einem Stall gesehen, in dem Massentierhaltung betrieben wird.
Die „neuen“ Käfige
Die schlimmsten Bilder verbindet man vermutlich mit den seit 2010 verbotenen Legebatterien. Laut Tierschützern und Wissenschaftlern, die sich mit artgerechter Tierhaltung auseinandersetzen, ist der Nachfolger, die „Kleingruppenhaltung“ allerdings nur das kleinere Übel. Das Dschungeltier „Huhn“ ist nach wie vor in Käfigen eingesperrt und hat kaum Platz: Einer Legehenne steht in der Kleingruppenhaltung eine Fläche zu, die so groß ist wie eineinhalb DIN-A4-Blätter. Die Tiere können ihre angeborenen Verhaltensweisen nicht ausleben, ihre natürlichen Bedürfnisse nicht stillen, sind angespannt und gestresst und entwickeln als Folge Verhaltensstörungen wie das Federpicken oder Kannibalismus. Das Tier leidet unter den Anforderungen des Menschen – dass die Haltung möglichst praktisch und preiswert ist; sich lohnt.
In der Kritik steht nicht nur die neue Form der Käfighaltung. Gerade auch die Bodenhaltung ist Tierschützern ein Dorn im Auge. Auf einem Quadratmeter leben hier neun Hühner; in Ställen mit mehreren Ebenen sind sogar 18 Hennen pro Quadratmeter erlaubt. Auch hier sind Verhaltensstörungen omnipräsent, statt der Ursachen werden die Symptome bekämpft: In den meisten konventionellen Betrieben werden die (sehr schmerzempfindlichen) Schnäbel kupiert – also beschnitten – oder abgestumpft.
Der deutsche Konsument und das Käfigei
Es tut sich durchaus etwas in Bewusstsein und Verhalten der Konsumenten: Laut statistischem Bundesamt hat sich der Anteil der deutschen Legehennen in ökologischer Erzeugung von 6 Prozent 2009 bis auf 10 Prozent im Jahr 2016 fast verdoppelt; lebten 2009 nur etwa ein Zehntel der Legehennen in Deutschland in Freilandhaltung, so stieg dieser Wert bis 2016 auf 17 Prozent. Der Anteil derer in Bodenhaltung stieg von 45 Prozent auf 63 Prozent. Und – wohl hauptsächlich durch das Verbot der Legebatterien – lebten statt 38 Prozent (Stand 2009) 2016 nur noch 10 Prozent der Legehennen in Deutschland in Käfigen.
Der eine oder andere mag sich fragen, wer denn all diese Käfigeier kauft – 2016 waren es immerhin mehr als eine Million Eier, die in Käfighaltung produziert wurden. In den meisten Supermärkten und Discountern findet man inzwischen gar keine Eier mehr, deren Code mit einer drei beginnt und die folglich aus Käfighaltung stammen.
Der Haken: Laut Foodwatch lag 2013 der Pro-Kopf-Verbrauch bei 218 Eiern, davon sind 114 Schaleneier und 104 in Produkten verarbeitete Eier – letztere sind bezüglich der Haltungsform, aus der sie stammen, nicht kennzeichnungspflichtig. In Form von Nudeln, Gebäck, Soßen, Eis und allerlei Fertiggerichten oder auch als gefärbte Eier werden dem Verbraucher also diese „faulen Eier“ untergejubelt.
Turbohühner und tote Küken
Die für den Legebetrieb üblichen Rassen sind auf Legeleistung gezüchtete Kreuzungen, sogenannte „Hybriden“, die an 330 von 365 Tagen ein Ei legen – allerdings nicht sehr lange: Nach etwa eineinhalb Jahren lässt in der Regel die Leistung nach, die Hennen werden ausgestallt und meist zum Suppenhuhn verarbeitet. Der Stall wird leergeräumt; es ist Zeit für die nächste Turbohennengeneration.
Die männlichen Küken werden nach dem Schlüpfen in der Regel geschreddert oder auch vergast; es würde sich nicht lohnen, sie großzuziehen. Da die Rasse auf das Legen „spezialisiert“ ist und kaum Fleisch ansetzt, sind die männlichen Küken für die Nahrungsmittelindustrie nutzlos.
Das „Kükenschreddern“ unterstützt man beim Kauf von Eiern aus allen gängigen Legehaltungsformen – bei Boden-, Freiland- und Biohaltung, denn im Normalfall werden bei jedem dieser Systeme Legehybriden eingesetzt und das Töten der männlichen Küken praktiziert. Lediglich bei der alternativen Demeter- oder Biolandhaltung oder bei Pilotprojekten wie dem der Biomarke von REWE laufen zum Teil Hähne in der Herde mit oder werden als Masttiere aufgezogen.
Ein weiterer Lösungsansatz sind Zweinutzhühner. Das sind Rassen, die sowohl Fleisch ansetzen als auch eine gute Legeleistung aufweisen, sodass die männlichen Tiere (zumindest eine mehrwöchige) Zukunft als Masthahn haben und nicht direkt nach dem Schlüpfen getötet werden – ob sich diese Variante gegen die „Turbohennen“ und das Töten der Küken durchsetzt, ist allerdings äußerst fraglich.
Und jetzt?
Es ist utopisch, dass sich der Großteil der Menschen Hühner anschafft und sich so selbst mit Eiern versorgt; und auch hier blieben außer bei Liebhabern und Züchtern die Hähne wahrscheinlich ziemlich auf der Strecke.
Für Menschen, die auf dem Land leben, einen Garten mit genügend Platz für ein Hühnergehege und einen kleinen Stall haben und denen es wichtig ist, wo die Eier herkommen, ist die Anschaffung von Hühnern aber durchaus eine Überlegung wert. Meine Familie hat seit letztem Sommer vier Hennen im Garten – die Erfahrungen, die wir bisher mit ihnen gemacht haben, sind ausschließlich positiv. Man weiß, woher die Eier kommen; dass die Hühner im Vergleich zu Millionen von Artgenossen ein artgerechtes Leben führen können und außerdem wird es niemals langweilig, ihnen zuzuschauen. Bis auf das zeitgebundene „Klappe auf- und zumachen“ sind sie noch dazu wirklich pflegeleicht.
Beim bekannten Bauern einzukaufen ist ebenfalls nicht jedem möglich – Freiland- und Biohaltung bieten den Hühnern aber immerhin Auslauf und mehr Platz und sind ein Schritt in die Richtung artgerechte Tierhaltung. Die strengsten Vorschriften diesbezüglich gelten nach wie vor in der Bioland- und Demeterhaltung.
Fazit
Die landwirtschaftliche Hühnerhaltung ist gerade vor allem eines: wirtschaftlich. Hennen in Bodenhaltung, die zufrieden im Stroh stehen und ihr schönes (und vollständiges) Gefieder sonnen? Da lachen ja die Hühner, würde man meinen. Solange der Verbraucher dieses Bild nicht überdenkt, haben die Legehennen aber in der Tat lange nichts zu lachen.
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