Das Prinzip dieser „Schlaumacher“ basiert auf der Vorstellung des Gehirns als großer „Muskel“, der sich durch Training kräftigen lässt. Für das schulische Trainingsprogramm würden sich nach dieser Idee solche Fächer am besten eignen, bei denen die geistigen Anstrengungen als offenkundig erscheinen. Dies würde man dies am ehesten den Fächern Latein und Mathematik zuschreiben. Gerade Latein wird, weil es keine Kommunikationssprache mehr ist, häufig für seine Transferwirkung angepriesen. Latein schule das logische Denken, es erleichtere das Erlernen weiterer Sprachen und es fördere die muttersprachliche Kompetenz.
Doch ergaben die Fallstudien von Edward Thorndike schon 1920, dass Schüler deren Schwerpunkt bei Latein oder Altgriechisch lag, sich in ihrer allgemeinen geistigen Entwicklung nicht mehr steigerten, als solche die Sport und Schauspiel gewählt hatten. Eine jüngere Studie aus dem Jahr 2000 von Ludwig Haag und Elsbeth Stern untersuchte zwei Schülergruppen, die jeweils Latein oder Englisch gewählt hatten. Nach vier Jahren konnte man keine Unterschiede in Bezug auf logisches Denken, räumliches Vorstellungsvermögen, inhaltsgetreues Lesen oder das Erkennen stilistischer Unterschiede in muttersprachlichen Texten feststellen.
Nur beim buchstabengetreuen Lesen und Erkennen von kleinen grammatikalischen oder orthografischen Fehlern waren die Lateiner geringfügig besser. Jedoch könnte man eine Steigerung in diesem Bereich durch gezielte Übung wohl weitaus schneller erreichen, als durch jahrelanges mühseliges Übersetzen von lateinischen Texten.
„Bene docet, qui bene distinguit“
Der Tenor der Wissenschaft lässt für die Transfervorstellung nur ein Fazit zu: Das Lernen bestimmter Lernstoffe verbessert die Leistungen nur bei eben diesen Lernstoffen, aber es schult nicht die allgemeinen Fähigkeiten, womit dem Transfer-Mythos endgültig der dogmatische Glanz genommen wird. Das Gleiche gilt für das Gehirnjogging. Wenn man tagtäglich versucht sich Zahlen zu merken, heißt das nicht, dass man sein Gedächtnis als Ganzes trainiert. Man trainiert schlichtweg sich Zahlen zu merken. Eine Verbesserung der Gedächtnisleistung ist nur durch ausdauerndes Üben und eine hohe Diversifikation der Merkinhalte zu erreichen. Häufig wollen Sekten oder Anbieter von Wochenendseminaren neue Mitglieder bzw. Teilnehmer mit der Aussage gewinnen, dass der Mensch nur 10 Prozent seines Gehirns nutze. Von solchem Unsinn ist Abstand zu nehmen, denn die Aussage ist zum einen neurobiologisch nicht haltbar und meistens zielen diese Geschäftsmodelle mit ihrem 10-Prozent-Spruch auf 100 Prozent des Ersparten der so geköderten Menschen ab.
Was wirklich hilft um geistig fit zu bleiben ist generell geistige Aktivitäten zu pflegen, aber nicht immer nur an ein und derselben Aufgabe, sondern möglichst abwechslungsreich und gemeinsam mit anderen Menschen. Zudem sollten Aufgaben gewählt werden, die eine neue Herausforderung darstellen und nicht schlichtweg alte Routinen erfordern. Außerdem sollten die geistigen Aktivitäten Spaß machen und zugleich eine gewisse Anstrengung abverlangen. Die körperliche Fitness sollte auch nicht zu kurz kommen. Sport und Bewegung ist auch für die geistigen Fähigkeiten wichtig, ebenso wie genügend Schlaf, um das am Tag erlernte in der Nacht zu verarbeiten. Schlussendlich sind viel trinken und eine möglichst ausgewogene Ernährung auch wichtig, um geistig fit zu bleiben. Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Vitamine und Mineralstoffe müssen täglich in ausreichendem Maße zu sich genommen werden, um dem Gehirn die nötigen Nährstoffe bieten zu können. Wenn man diese genannten Faktoren beachtet, braucht man definitiv kein Geld auszugeben, um in autistischer Einsamkeit sinnloses Gehirnjogging zu betreiben.
Schreibe einen Kommentar