Manche Menschen entwickeln Persönlichkeitsstörungen beziehungsweise destruktive Verhaltensmuster in ihrer Charakterstruktur. Warum das so ist und welche Rolle „Grundbedürfnisse“ in dieser Thematik spielen, erklärt euch unsere Autorin Josephina.
Ein jeder Mensch kommt mit Bedürfnissen auf die Welt. Diese haben einen Zweck und dienen dem Menschen in seiner Entwicklung, dem Überleben in erster Linie und dem Fortbestand seiner Spezies an zweiter Stelle. Es gibt viele psychologische Modelle, welche versuchen, die Grundbedürfnisse eines Menschen zusammenzufassen. In der Schema-Therapie, welche eine Therapiemöglichkeit für Menschen mit narzisstischer oder emotional instabiler Persönlichkeitsstörung (Borderline) darstellt, werden fünf Grundbedürfnisse unterschieden: Bindung, Autonomie, Freiheit, realistische Grenzen und Selbstkontrolle sowie Spontanität und Spiel.
Erläuterung der Grundbedürfnisse
Unter „Bindung“ versteht man das Bestreben, eine sichere affektive Bindung zu anderen Menschen einzugehen und zu halten. Die Autonomie umfasst unter anderem das eigene Identitätsgefühl und Kompetenzen, welche sich in der Orientierung nach außen finden. Hierbei ist auch die Selbstwert-Steigerung ein wichtiger Punkt. In der Freiheit liegt die Selbstbestimmung sowie -verwirklichung und außerdem der Drang, seine Emotionen und Bedürfnisse anderen Menschen adäquat mitzuteilen. Dass ein Mensch sich seiner bewusst ist und sich selbst angemessen kontrollieren kann, definieren die „realistischen Grenzen“. Spontanität und Spiel steht im Verhalten und Leben eines Menschen für Lustgewinn und Unlustvermeidung und dies nicht nur in sexueller Hinsicht.
Grundbedürfnisse sind universell und in unserer Biologie angelegt
Emotionale Grundbedürfnisse sind in der Konstitution des Mensch-Sein biologisch angelegt und unterliegen keiner Altersbegrenzung. Sie sind in jedem von uns vorhanden und sind nicht lediglich als Wünsche oder Vorlieben abgetan. Das Streben nach Befriedigung dieser Grundbedürfnisse motiviert somit unser aller Handeln und beeinflusst unser Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich. Eine Verletzung oder eine anhaltende und dauerhafte Nicht-Befriedigung dieser Grundbedürfnisse kann krank machen und erhöht die Anfälligkeit psychischer Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, welche mit negativen Gefühlen und (An-)Spannungszuständen einhergeht.
Verletzte Grundbedürfnisse als Nährböden für Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen
Wenn bereits im frühen Entwicklungsstadium der Kindheit die Grundbedürfnisse nicht adäquat gestillt wurden, ist bereits der Nährboden für eine Persönlichkeitsstörung gelegt. Denn dann ist der (kleine) Mensch in der misslichen Notlage, andere Strategien zu entwickeln, um sein Überleben und seinen Fortbestand zu sichern. Dies sind dann im weiteren Verlauf seines Lebens leider eher destruktive Verhaltensweisen, welche das Ziel haben, diese Grundbedürfnisse zu erfüllen oder aber einen Umgang mit der Nichterfüllung zu finden. Wenn ich weiß, dass ich keine Liebe beziehungsweise Anerkennung aufgrund meiner bereits erlebten Erfahrungen erwarten kann (Achtung! Negativer Glaubenssatz), dann vermeide ich Situationen, in welchen diese erfahrene Verletzung getriggert werden könnte. In der Folge lasse ich mich nicht mehr auf eine nahe Bindung mit anderen Menschen ein und gehe in ein Vermeidungsverhalten, um meine Verletzungen nicht nochmal spüren zu müssen. Eine angeeignete Strategie, um diese erfahrene Verletzung im Erwachsenenalter zu umgehen. Vermeidungsverhalten ist eine der Bewältigungsstrategien, welche dieser Mensch erlernt und im späteren (Erwachsenen-)Leben anwendet. Es gibt noch einige andere Strategien der Bewältigung, alten Schmerz nicht nochmal fühlen zu müssen.
Individuelle Erfahrungen in der Kindheit prägen deine Persönlichkeit
Ein Mensch mit einer Persönlichkeitsstörung agiert mit seinem dysfunktionalen Verhaltensmuster somit lediglich aus seiner Not heraus. Welche Grundbedürfnisse in der Kindheit verletzt und nicht erfüllt oder über den Maßen gestillt wurden, legen die Weichen für die Art der Persönlichkeitsstörung. Während viele Borderliner eher in die Unterwerfung fallen, um Anerkennung und Liebe zu bekommen, indem sie lieb und brav alles mitmachen oder gar seine Mitmenschen bedienen und idealisieren, ist ein Narzisst eher auf der Schiene der Selbsterhöhung und Fremdabwertung unterwegs. Beide Verhaltensweisen sind Kompensationen der dahinter liegenden, nicht-gestillten Grundbedürfnisse. Der Borderline-Mechanismus stellt eine Überanpassung und die narzisstische Strategie eine Überkompensation dar. In beiden Fällen möchte der Betroffene die eigentlich zugrunde liegende Verletzung der Kindheit nicht noch einmal fühlen müssen.
Verletzte Menschen verletzten Menschen
Jede psychische Erkrankung und jede Persönlichkeitsstörung haben eine Daseinsberechtigung, da es einen tieferen Grund gibt, dass derartige dysfunktionale Verhaltensweisen in der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen Platz gefunden haben. Selbst in der Forensik hat ein Mörder leider einen Beweggrund, diese abscheuliche Tat begangen zu haben. Gleiches gilt für „Beziehungstaten“, so wie sie in den toxischen Beziehungen vorkommen mit dem bösen Narzissten oder der bösen Borderlinerin. Diese Menschen haben erhebliche Verletzungen in ihren Grundbedürfnissen erfahren. Verletzte Menschen verletzen Menschen, sofern der Kreislauf nicht durchbrochen wird. Ich möchte kriminelle Handlungen, emotionalen oder gar körperlichen Missbrauch nicht schönreden oder verherrlichen, sondern nur aufzeigen, dass Menschen immer aus ihren Prägungen heraus agieren und nicht jeder Mensch fähig ist, seine Muster zu erkennen und diese zu durchbrechen und in die Heilung zu kommen.
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