Viele träumen davon, später einmal etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Sie möchten aussteigen aus der normalen Arbeitswelt und zum Beispiel einen eigenen Laden eröffnen. Ein eigenes Café ist der Traum vieler. Lest mehr darüber, wie die Realität aussieht und auf welchen ungewöhnlichen Charakter ich traf.
Der Traum vom eigenen Café
Existenzgründungsberater werden hellhörig, wenn sie das Geschäftsmodells eines Cafés präsentiert bekommen. Kann schließlich jeder! Wirklich? Zwar sind es tatsächlich Cafés, Kneipen und Nagelstudios, die ganz oben auf der Liste der Neugründungen stehen. Doch leider sind auch sie es, die auf die Liste der Schließungen anführen. Wer erfolgreich sein will, braucht mehr als den Wunsch zur Eigenständigkeit: Kreativität, genaues Kalkulieren und die Bereitschaft auf Freizeit zu verzichten, sind essenziell, um langfristig erfolgreich zu sein.
Was bringt Menschen dazu, tagtäglich hinter der Kaffeetheke zu stehen?
Auf meiner Suche nach einer Antwort auf diese Frage, interviewte ich drei Cafébesitzer im schwedischen Malmö. Da ich mein Auslandssemester hier verbringe, fiel mir auf, wie viele kleine Cafés es in der Stadt gibt. Dies gab den Ausschlag, mehr über diese etwas andere Kaffeekultur Schwedens zu erfahren und die Menschen kennenzulernen, die dahinter stehen. Ob die oben genannten Existenzberater von den teils wagemutig anmutenden Konzepten angetan wären, ist zu bezweifeln.
Café No. 6 – das typische kleine Café um die Ecke?
Im Hintergrund ertönt leise Jazzmusik als ich den Raum betrete, der nur wenig Platz bietet. Gerade einmal zwei kleine Tische und eine Sitzreihe am Fenster warten hier auf die Gäste. Mein Blick geht über die Straße: Hier bietet im Sommer ein kleiner Garten Platz für weitere Tische. Tripadvisor bewertet das Café No. 6 als bestes Café der Stadt und auch andere Blogs preisen es als Geheimtipp. Mal sehen, wer hinter dieser Geschäftsidee steht.
Mit ruhiger Hand bereitet der Inhaber Niklas den Kaffee zu und wirkt beinahe etwas unbeholfen, als er eine Zimtschnecke in die Tüte gleiten lässt. Ich erfahre von ihm, dass er von Hauptberuf Matrose ist. Für ihn bedeutet das, jeweils vier Wochen auf See zu verbringen, um dann vier Wochen frei zu haben. Als ihm im Sommer ein Bekannter anbot, das Café No. 6 zu übernehmen, sagte er zu. Zusammen mit seiner Freundin, die halbtags in einem Laden in der Stadt angestellt ist, teilt er sich die Arbeitszeiten in der Kaffeebar. Wenn mal nichts los sei, lese er ein Buch. Nun bin ich aber doch gespannt, wie er mit so einem kleinen versteckten Café überleben kann. Er muss schmunzeln und gibt zu, dass dies momentan auch nur ein Wunschtraum ist. Um Kunden in die etwas abseits gelegene Straße zu locken, postet er mehrmals pro Woche auf Facebook und Instagram. Mein Eindruck ist, dass das kleine Café sehr gut zu ihm passt oder vielleicht ist es auch er, der hier sehr gut hineinpasst. Denn er wirkt mehr wie ein Teil des Cafés, aber nicht wie ein dynamischer Jungunternehmer. Seine Stimme ist sehr ruhig. Beinahe schüchtern wirkt er auf mich.
Erst als er mir davon berichtet, dass qualitativer Kaffee seine Leidenschaft sei und er mir die fair gehandelten Bohnen zeigt, die er von einer Rösterei in der Stadt bezieht, spüre ich einen Funken dieser Passion. Doch ich gebe zu, ich bezweifle, dass es mit dieser zwar sympathischen, aber doch sehr ruhigen Art, zu mehr reichen wird als einem Nebenverdienst. Doch denke ich daran, wieder einige Minuten in der langen Schlange einer bekannten Kaffeekette zu verbringen, dann mit unzähligen Fragen gelöchert zu werden, um einen super geschäumten laktosefreien Latte Macchiato mit special flavour zu erhalten, so beschleicht mich ein etwas merkwürdiges Gefühl. Vielleicht weil der ursprüngliche Charakter des Kaffeegenusses mit so viel Unpersönlichkeit und Entscheidungen mittendrin verloren gegangen ist. Da investiere ich lieber ein bisschen Zeit und Geduld in die schwedische Kaffeekultur.
Die Uggla Kaffeebar: nur eine von vielen Tätigkeiten des Chefs
Auch mein zweites Ziel passt in das Bild der kleinen Cafébar an der nächsten Straßenecke. Hier treffe ich Ajje Ljungberg, der die Kaffeebar in Teilzeit leitet. Nebenbei betreibt er zudem einen Handel mit ökologischem Gemüse, welches bei ihm bestellt und dann in einem der mit ihm befreundeten Cafés in Malmö abgeholt werden kann. Was bereits Niklas erwähnte, bestätigt mir auch Ajje: Es gibt keinen Konkurrenzkampf um die Kunden. Zu groß sei die Dichte an Cafés in der Stadt. Zu meinem ersten Eindruck vom ruhigen Niklas hätte es gepasst, dass er an das Gute im Menschen glaubt. Doch auch Ajje vermag es nicht, meine deutsche Skepsis ganz zum Stillschweigen zu bringen und so werde ich weiterfragen.
Neben seiner Tätigkeit als Cafébesitzer und Gemüsehändler ist Ajje eigentlich Journalist. Nun, langweilig wird ihm nicht, da bin ich mir sicher. Vor rund 25 Jahren gründete er das erste eigenständige schwedische Magazin, welches sich mit seiner Leidenschaft befasst: Alles rund um das Thema Genuss. Doch das ist nicht alles, denn mein Gegenüber ist auch Co-Eigentümer einer Webagentur. Seine Frau Johanna schmunzelt, als ich sie zu Ajjes Charakter befrage. Er sei einfach eine „get things started“-Persönlichkeit meint sie. Beide passen in dieser Hinsicht wohl gut zusammen. Denn Johanna arbeitet sowohl in einer Marketingagentur, als auch als Yoga-Lehrerin. Die Betreuung ihrer vierjährigen Tochter übernehmen beide gemeinsam und wechseln sich hierbei ab. Wie sie das zusammen mit einem Beziehungsleben im Alltag regeln, ist mir zugegebenermaßen schleierhaft. So wie die Tatsache wann Niklas, der erste Besitzer, seine Freundin sieht. Arbeitet einer von beiden nicht, so steht er im Café und umgekehrt.
Von Ajje erfahre ich, dass er von seinem Café leben könnte, betriebe er es in Vollzeit. Doch er möchte weiterhin allen seinen verschiedenen Tätigkeiten nachgehen. Nebenbei bleibt scheinbar auch Zeit, auf Instagram und Facebook zu posten, oder aber ein paar außergewöhnliche Events auf die Beine zu stellen. Da in Schweden das Fest der Santa Lucia groß gefeiert wird, lud Ajje sie gleich auch in die Uggla Kaffeebar ein.
Die “Kaffebaren på Möllan”- Standortvorteile im Herzen Malmös
Oscar Villata´s Kaffebaren på Möllan ist der letzte Halt auf meiner Entdeckungstour. Nirgendwo in Malmö kann man den über 170 Nationalitäten der Stadt eher begegnen als hier. Der tägliche Obst- und Gemüsemarkt und die vielen kleinen Läden mit günstigen Spezialitäten aus allen Ländern machen den Platz zum Meetingpoint der Stadt. Und am besten kann man das bunte Treiben aus Oscars Kaffebar verfolgen. Kein Wunder, dass die Schlange oft bis vor die Tür der Kaffeebar hinausreicht. Was mich nach meinen ersten zwei Begegnungen nicht mehr erstaunte, war, dass auch Oscar nicht „nur“ das Café betreibt. Er ist auch Mitbesitzer eines Plattenlabels und legt als DJ auf. Etwa zehn Jahre lang betrieb er mit einem Freund ein anderes Café in Malmö. Auf meine Frage, was der Grund der Schließung gewesen sei, lächelt er traurig und meint: Ich war zu jung, ich arbeitete zu viel und war jeden Tag dort.
Da ich auch damals schon als DJ auflegte, wurde esmir einfach zu viel. Es erstaunt mich, dies von ihm zu hören, denn auch nun steht er Tag für Tag im Café oder erledigt administrative Aufgaben. Die Kaffeebar ist nur an einem Tag im Jahr geschlossen. Ein harter Job. Warum? Oscars blaue Augen leuchten, er sagt, er liebe Kaffee, er kann sich keinen anderen Beruf vorstellen und vor allem liefe dieses Café besser als das vorherige. Es scheint eine Mischung aus gutem Verdienst und Spaß zu sein. Oscar stellt für mich, im Gegensatz zu Niklas, mehr den Typ des Unternehmers dar. Beinahe relaxt wirkt er, wie er da mit seinem Cape vor mir steht, die Arme mit unzähligen Tattoos verziert. Doch er wirkt auf mich auch sehr zielstrebig und überlegt. Was ich mir gar nicht vorstellen kann, ist wie er sich um seinen sechsjährigen Sohn kümmert. Auf diese Frage antwortet er ausweichend. Dieser sei von 08:00 bis 17:00 Uhr in der Schule. Seine Freundin übernehme die Hauptverantwortung und manchmal nehme er den Kleinen mit ins Café. Dann müsse er sich dort eben mit seinen Malbüchern beschäftigen. Das kann ich ihm nun nicht abnehmen. Ein sechsjähriger mit Malbüchern? Vielleicht ist das Kind damit wirklich zufrieden oder Oscar erzählt mir gerade etwas ältere Geschichten. Ein letzter Punkt der mich interessier, ist die Frage nach der Konkurrenz. Doch auch Oscar sagt, die anderen Besitzer seien seine Kumpels, er verbringe viel Zeit mit ihnen. Jeder versuche, für sich das Beste aus seinem Café zu machen, nicht mehr und nicht weniger, das sei der Wettstreit. Was mir Oscar zudem noch zu erzählen weiß ist, dass sich die Kultur kleiner Cafés in Malmö erst seit rund zehn Jahren entwickelt. Ich hätte nichts gegen eine solche Entwicklung auch in Deutschland.
Was eint sie? Ein Fazit spannender Begegnungen
Malmös Cafébesitzer erstaunten mich. Sofort waren sie zu Interviews bereit, ließen ihre Arbeit stehen und liegen. Den stärksten Eindruck hinterließ zum einen das Wettbewerbsverhalten und zum anderen? Dieser Wunsch, sich immer neu auszuprobieren, mit Leidenschaft einer oder mehreren Tätigkeiten nachzugehen. Herzblut steckte bei allen dreien dahinter. Wie mir schien, zu Lasten der Familie und Freizeit, doch sie alle standen hinter ihrer Entscheidung und wirkten zufrieden damit. Der Stereotyp des Cafébesitzer, der seinen Traum lebt, scheint hier Bestätigung zu erfahren.
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