Die Scheidungsrate in Deutschland wächst – 2016 lag sie bei etwa 40 Prozent. Von den Folgen sind auch viele Kinder betroffen. Die steigenden Zahlen veralltäglichen die Situation, aber verharmlost wird sie nicht. Warum aber muss eine andere Generation den Trennungsstreit ihrer Eltern austragen?
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Was nach der Scheidung kommt
„Alle glücklichen Familien gleichen einander. Jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Art unglücklich.“ Leo Tolstois berühmte Worte zu Beginn seines Romans Anna Karenina finden auch noch fast 150 Jahre später Bedeutung – wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb das Buch so erfolgreich ist. Während sich diese Worte im Jahr 1878 auf die damalige russische Adelsgesellschaft beziehen, hat sich die Situation heute stark verändert und Scheidungen sind gesellschaftlich nicht mehr so verkannt. Doch auch heute gilt: Unglückliche Familien sind immer auf ihre eigene Art unglücklich – denn jede Scheidung sieht anders aus.
Aufgrund der steigenden Zahlen werden Scheidungen immer mehr zu etwas Alltäglichem, über das häufiger und offener geredet werden kann. Einfacher macht es die Situation für die Betroffenen aber nicht, zudem wird das Thema dadurch verharmlost. Scheidungen bleiben ein unschönes Thema für die Gesellschaft. Es gibt viele Perspektiven, die man in Anbetracht dessen einnehmen kann, zudem ist jede Familiensituation einmalig und man kann keine wirklich miteinander vergleichen – jede Erfahrung ist eine andere. Nach der Scheidung sieht es überall anders aus. Vielleicht gehen die Eltern im Guten auseinander, vielleicht ist es eine recht neutrale Scheidung und die Zeit danach ist auch relativ friedlich. Vielleicht wird man zu einer Patchwork-Familie. Vielleicht zieht ein Elternteil in eine andere Stadt, in ein anderes Land, vielleicht auch nur in eine andere Straße. Vielleicht werden Geschwisterpaare getrennt, vielleicht auch nicht. Vielleicht kommen finanzielle Probleme hinzu, und das Sorgerecht um die gemeinsamen Kinder wird sich vielleicht auch noch gestritten. Aber egal wie man es dreht, es gibt keine Gewinner.
Ein Leben lang die Balance zu finden, mit beiden Eltern auszukommen, zu entscheiden, mit wem man mehr aus seinem Alltag teilt, mit wem man in den Urlaub fährt, wen man vielleicht nach Bestehen einer Prüfung zuerst anruft oder wie die Sitzordnung bei der eigenen Hochzeit aussieht und bei wem dann später mal Weihnachten gefeiert wird, ein Leben lang zu versuchen, es beiden Elternteilen Recht zu machen – das ist der ewige Fluch von Scheidungskindern.
Die Balance finden und Grenzen setzen
Es beiden Eltern recht zu machen, kann ganz schön viel Zeit und Energie kosten. Aber warum liegt diese Verantwortung bei den Kindern? Ist es nicht ungerecht, dass diejenigen, die am wenigsten Schuld an dieser Situation haben, die Hauptlast tragen müssen? Als Kind, deren Eltern sich trennen, kann man am wenigsten etwas dafür und doch wird der Streit über diese Generation ausgetragen. Wer ist schuld an einer Trennung? Die Antwort darauf fällt zwar jedes Mal anders aus, aber klar bleibt dennoch: Schuld daran sind am allerwenigsten die Kinder. Dennoch müssen sie die grundlegendsten Entscheidungen treffen. Es beginnt ganz am Anfang einer Trennung mit dem Streit für das Sorgerecht und der Entscheidung, die man als Kind selber treffen muss: Wo bleibe ich wohnen? Wo bleiben meine Geschwister wohnen? Bei Vater oder Mutter?
Es ist häufig schwierig, diese Entscheidungen zu treffen, man will es ja beiden Recht machen, aber die Streitigkeiten der Eltern austragen will man auch nicht. Nur wie kann man damit umgehen? Nun, Grenzen setzen wäre zumindest mal ein Anfang. Den Eltern klarmachen, was man will oder nicht will. Dass man nicht mehr der ewige Bote sein will, der Nachrichten zwischen beiden hin und her tragen soll, das kann man den Eltern schon deutlich sagen. Die sind schließlich erwachsen und sollten das auch unter sich klären können. Das Wichtigste dabei: auf sich selber hören. Was tut mir selbst gut? Wann und wobei fühle ich mich wohl? Nach dem Bauchgefühl gehen und selber entscheiden, was okay ist und was nicht. Über Geld zu sprechen, über sonstigen Besitz, der aufgeteilt wird, über Rechtsanwaltsbriefe, über Gerichtstermine, schlecht über den Ex-Partner zu reden – das sind alles meiner Ansicht nach Dinge, die nicht zwangsläufig mit den Kindern geteilt werden müssen, denn das kann alles sehr belastend sein.
Es ist keine einfache Situation, entsprechend kann man diese ja wenigstens für die Kinder so wenig belastend wie möglich gestalten und sie weitestgehend aus dem Rosenkrieg heraushalten. Ein Streit unter Partnern sollte nicht über die Kinder ausgetragen werden, einfach, weil diese das Recht darauf haben ein selbstständiges Verhältnis zu beiden zu haben. Sie sind nicht der Grund für die Streitigkeiten zwischen den Partnern.
Egal, wie es danach aussieht; egal, wie es danach weitergeht, man ist immer noch ein Kind von beiden und sollte es sich frei aussuchen können, wie man sein Leben mit beiden gestalten kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Vielen Dank für diesen Artikel zu Scheidungskindern. Gut zu wissen, dass es für Kinder oft schwer ist, es beiden Eltern rechtzumachen. Ich werde nun zu einem Rechtsanwalt für Familienrecht gehen, um die Trennung rechtlich zu vollziehen und sorge mich, wie es meinem Kind damit ergehen wird.