Der Fisch ist ein bekanntes christliches Symbol, das schon in der Antike verwandt wurde. „Ichthys“, das griechische Wort für „Fisch“ steht für „Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser“. Der Fisch ist aber mehr als nur eine Abkürzung für dieses Glaubensbekenntnis. Er ist sogar ein gutes Bild für die christliche Offenbarung.
Christen glauben an einen Gott, der sich dem Menschen offenbart. Der Mensch erfährt von Gott, wie Gott, die Welt und er selbst ist. Dieser Glauben an eine Offenbarung Gottes findet sich auch in anderen Religionen, wie z.B. dem Judentum und dem Islam. Und hier kommt der Fisch ins Spiel.
Versetzen wir uns in folgende Situation:
Wir sind Fische in einem Aquarium. Keinem besonders guten wohlgemerkt, denn die Scheiben sind mit den Jahren etwas trüb geworden. Jeden Tag zur gleichen Zeit regnet es Futter in unser Aquarium. Einer unserer „Mitfische“, ein Wissenschaftler-Fisch, stellt eifrig Hypothesen darüber auf, wie die aus unserem Lebensraum aufsteigenden Bläschen in einem komplexen Vorgang angereichert werden und dann als Futter auf uns herabregnen. Ob es wirklich so ist, wissen wir nicht, denn wir kommen ja nicht aus dem Aquarium heraus und können nur verschwommen durch das Glas schauen.
Stellen wir uns nun vor, dass außerhalb des Glases ein Mensch ist. Dieser möchte uns Fischen gerne mitteilen, dass er da ist. Uns selbst aus dem Glas zu holen und uns seine Welt zu zeigen, wäre für uns zu gefährlich. Wie kommt er also an uns Fische heran?
Er muss selbst ins Aquarium hinein. Hier stößt er auf Probleme: Erstens ist er zu groß für das Glas und zweitens könnten wir ihn vermutlich nicht verstehen. „Fischisch“ muss er sprechen (und noch dazu unter Wasser) – ist ja klar. Die Antwort liegt auf der Hand: Der Mensch muss als Fisch ins Aquarium – ein wahrer Mensch, aber eben auch ein echter Fisch. Tut er dies, dann hat er eine Chance, uns anderen Fischen etwas von der „Welt da draußen“ mitzuteilen. Er wird zum „Offenbarungsfisch“.
Wechseln wir auf die theoretische Ebene:
Es gibt die Gefahr, dass wir uns täuschen, wenn wir über Gott, seine Welt und uns selbst nachdenken. Unser Verstand ist begrenzt und fehleranfällig. Ja, sicher erkennt er oft auch die Wahrheit – aber eben nicht immer. Und so bleibt der Zweifel, ob er sie in diesem konkreten Gedanken trifft oder verfehlt.
Der christliche Glaube geht davon aus, dass sich Gott in Jesus Christus offenbart. Das Konzil von Chalcedon bekennt Jesus als „wahren Gott und wahren Menschen“. Als Mensch kann er zu Menschen sprechen, als Gott weiß er um das wahre Wesen Gottes, der Welt und des Menschen.
Meine These ist folgende: Eine wahre Offenbarung Gottes braucht einen Mittler, der mit beiden Sphären (der göttlichen und der menschlichen) verbunden ist. Genauer gesagt – der aus beiden Sphären stammt, ja Anteil an ihnen hat. Das christliche Dogma von Jesus als Gottmenschen ist somit eine plausible Konsequenz der Offenbarung Gottes. Nicht zuletzt seit dem Film „Nemo“ ist den meisten von uns das Leben in einem Aquarium vertraut. Können wir damit umgehen, wenn plötzlich ein besonderer Fisch mitschwimmt, einer, der mehr weiß über das Aquarium und die Welt außerhalb als du und ich? Können wir annehmen, was er sagt?
Dr. Rainer Wodatschek
Knapp und sparsam formuliert und sinnvoll gegliedert, wird das etwas altbackene Bild attraktiv dargeboten und transportiert die Kernaussage ohne aufdringliche Interpretationshilfe. Sehr gelungener Artikel!