Ob Leipzig, Halle, Wittenberg oder Berlin – acht deutsche Großstädte haben vom 25. Mai bis zum 28. Mai zum 36. Deutsch-Evangelischen Kirchentag eingeladen. Unter dem Motto „Du siehst mich“ feierten Gläubige aus aller Welt Andachten, musizierten zusammen beim Offenen Singen oder diskutierten in Podiumsdiskussionen über aktuelle politische Themen. Unsere Autorin Chantal Gilbrich war vor Ort beim Hauptkirchentag in Berlin und hat hier ihre Highlights zusammengestellt.
Luthers Leben von Kindern erklärt
Der Bus bringt mich in die deutsche Hauptstadt. Schon vom Fenster aus erkenne ich etliche Kirchentagsbesucher anhand ihrer orangefarbenen Schals. Mein erstes Ziel stellt die Marienkirche dar. Die prächtige Kirche im Herzen Berlins lädt heute zu einer Zeitreise ins 16. Jahrhundert ein. Schülerinnen und Schüler der Evangelischen Schule Berlin-Mitte tauchen in das Leben des Reformators Martin Luthers ein. In Kostümen schlüpfen die Kinder in die Rolle des Kaisers oder Philipp Melanchtons. Anschaulich erklären sie die Bedeutung der Lutherrose, den Thesenanschlag in Wittenberg oder auch den Reichstag in Worms. Mit einem persönlichen Bibelvers und einem Lutherrose-Button werden die Besucher zurück in die heutige Zeit geschickt.
Weiter geht es zum Messegelände. Hier ist der Hauptversammlungsort des Berliner Kirchentages. Neben dem Markt der Möglichkeiten, in dem kirchliche Organisationen über ihre Arbeit aufklären und Stände zu Berufs- und Karrierechancen innerhalb der Kirche, finden in den einzelnen Messehallen Lesungen, Theaterstücke und Musicals statt. Ich schlendere in die Messehalle 23, wo gerade das Musical „Respekt“ stattfindet. Das Theater „Traumtänzer“ aus Wiesbaden zeigt hier Alltagssituationen mit (fehlendem) Respekt zwischen Jung und Alt. Die kurzen Sketche werden durch peppige Songs unterbrochen – und die Handlung wird zum Ende hin durch einen großen Wendepunkt markiert. Nach einem langen Applaus begebe ich mich in den Sommergarten und lausche dem Konzert eines Gospelchores.
Das Feierabendmahl als Ort der Begegnung
Das Besondere am Kirchentag findet man als Besucher jedoch nicht selten in den kleinen Veranstaltungen. So lädt die Evangelische Kirchengemeinde Nordend in Berlin-Pankow beispielsweise am Freitagabend zum gemeinsamen Feierabendmahl unter dem Motto „In ökumenischer Weite“ ein. An zehn Tischen versammeln sich kleine Gruppen. Neben gemeinsamen Liedern und Lesungen haben die Besucher in mehreren kleinen Einheiten die Möglichkeit, sich untereinander über den Kirchentag auszutauschen und sich gegenseitig kennenzulernen.
Im Mittelpunkt steht das Abendmahl, das an den einzelnen Tischen ausgeteilt wird. Am Ende darf jeder Teilnehmer einem anderen Besucher ein Gebet mit auf den Heimweg geben. Enden tut die Veranstaltung an dieser Stelle aber noch lange nicht. Die Gemeinde lädt im Anschluss noch zu einem Buffet und gemütlichen Beisammensein im Gemeindegarten ein. Mit Lampions und Kerzen sind die Festzelte geschmückt. Auf langen Tischtafeln ist ein großes Buffet aufgebaut. Mit Wein, gutem Essen und spannenden Gesprächen endet der Abend im Kerzenschein.
Lichtermeer am Brandenburger Tor: Abschlusskonzert der Wise Guys
Für Musikfans startet der Höhepunkt des Kirchentages am Brandenburger Tor. Trotz hoher Polizeipräsenz und strenger Taschenkontrolle ist die Stimmung toll. Das Publikum klatscht im Takt und stimmt in die altbekannten Wise-Guys-Songs mit ein. Über dem Brandenburger Tor geht die Sonne langsam unter. Während die Ballade „Ein Engel“ erklingt, ist ein einzigartiges Lichtermeer aus 50.000 Handykamera-Leuchten in Berlin zu sehen. Als Überraschung hat die A-Cappella-Band ein Abschiedslied vorbereitet. Tränen der Freude und der Trauer zeichnen sich in den Augen der Besucher ab, als die Kölner Band ihr Abschlusskonzert auf dem Kirchentag beendet. Mit dem irischen Segenslied und einem Kerzenmeer werden die Besucher auf den Heimweg geschickt.
Spiritueller Höhepunkt: Abschlussgottesdient in Wittenberg
Wer vom Kirchentag noch nicht genug hat, kann bereits am Samstagabend weiter nach Wittenberg reisen. Tausende Menschen treffen sich mit ihren Schlafsäcken auf den Elbwiesen, um gemeinsam eine Taizé-Nacht unter dem Sternenhimmel zu feiern. Mit der frühen Morgenandacht preisen die Besucher den Sonnenaufgang über der Lutherstadt Wittenberg. Doch den Höhepunkt bildet der Abschlussgottesdienst am Sonntagmittag vor den Toren Wittenbergs, den die etwa 6.500 Blechbläser aus ganz Deutschland einleiten.
Trotz vieler verschiedener religiöser Ansichten, die auf dem Kirchentag vertreten sind, zeigt sich in der Feier des Abschlussgottesdienstes das Gemeinsame aller Gläubigen, die den Weg zum Kirchentag gefunden haben. Das Abendmahl feiern die Kirchentagsbesucher mit Blick auf die Schlosskirche Wittenbergs. „Dieser Kirchentag hat uns in Bewegung gesetzt“, stellt Christina aus der Au, Präsidentin des Kirchentags, fest. In acht Städten waren die Kirchentagsbesucher in diesem Jahr unterwegs, immer in dem Glauben: Gott sieht uns.
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