In einigen Teilen habe ich euch bereits die Gemeinschaft Cenacolo und das Leben im Haus im Burgenland vorgestellt. Der Advent ist in der Gemeinschaft ein ganz besonders intensives Erlebnis, das im Weihnachtsfest seinen Höhepunkt findet. Es geht um Nächstenliebe, Überwindung und ein Bewusstsein dafür, was es heißt, ein Leben aus dem Glauben zu führen.
Ein schwarzes Brett – die „Bacheca“ – enthält viele Aufgaben
Die Vorbereitungen für den Advent laufen bereits viele Wochen vorher, wenn eine Gruppe von Jungs eine Art schwarzes Brett, die „bacheca“, gestalten, auf dem für jede Woche des Advents bestimmte Aufgaben aufgeschrieben sind. Die Jungs sind für das geistliche Tagesprogramm zuständig und dazu gehört eben auch das schwarze Brett, weil es den restlichen Jungs aus dem Haus hilft, sich zu verschiedenen Zeiten im Jahr auch geistlich zu orientieren. Das sind zum Teil Werke der Nächstenliebe den Brüdern gegenüber, aber auch geistliche Vorsätze für jeden Einzelnen.
Jede Woche steht dabei unter einem anderen Thema, zum Beispiel „Carità“ (Nächstenliebe) oder, „Preghiera“ (Gebet). Die Nächstenliebe in ihrer Ausprägung kennen wir alle – man bringt für andere den Müll raus, räumt nach sich auf oder beschert dem Anderen das, worüber er würde sich sehr freut. In der Gemeinschaft sind die Aufgaben vielfältig.
Jedes Zimmer sucht sich bestimme Aufgaben heraus
Eine davon – ich nenne sie „Challenge“, also Herausforderung – besteht während einer Woche darin, dass die vier Zimmer untereinander verschiedene Aufgaben im Haus übernehmen konnten. Aber nicht in Ruhe oder in der Freizeit, sondern direkt nach der Arbeit. Das heißt für mich: Beim Klingeln aus der Tischlerei so schnell ich konnte zum Schuhhaus rennen, mich umziehen und meinen Mitbrüdern helfen. Einen Tag haben wir die Kapelle für das Gebet vorbereitet. Die Tische im Speisesaal für das Essen hergerichtet, die Milch und das Ofenholz für den Küchenzuständigen geholt, Wäsche gewaschen oder die Fußböden gewischt. Das bringt uns ordentlich ins Schwitzen, aber auch weg von uns selbst – und darum geht es. Ich mache mir weniger Gedanken um mich, sondern denke an die anderen und daran, sie zu entlasten.
Andersherum wird es auch für mich getan. Es ist wie ein Training darin, die Bedürfnisse des anderen zu sehen, bevor dieser sie überhaupt ausspricht. Eine Art “Fitnessstudio der Nächstenliebe”, in dem man „Muskeln“ aufbaut, die auch die persönliche Zukunft bereichern. Das, was die Jungs heute machen, nehmen sie später mit, wenn sie jemanden kennenlernen, sich verlieben, eine Familie gründen und Väter werden. Es lehrt, nicht nur auf sich selbst zu achten, sondern das Umfeld und seine Bedürfnisse wahrzunehmen. Wenn das auf Gegenseitigkeit beruht, wird ein Raum geschaffen, in dem man dem Anderen zuvorkommt, ihm hilft und geliebt fühlen lässt.
„Carità“ – Wäsche waschen und den Mitbrüdern helfen
In der Gemeinschaft Cenacolo leben junge Menschen in Häusern für Männer und Frauen zusammen. Sie essen, arbeiten, beten miteinander – und halten dabei auch die Stärken und Schwächen der anderen aus. Das fängt beim Schnarchen in der Nacht an, geht übers gemeinsame Putzen des Hauses und hört beim Wäschewaschen in der Waschküche auf – natürlich mit Seife und Hand, so wie früher. Es soll Wertschätzung für die Arbeit vermitteln, die früher ihre Mütter gemacht haben und die ihnen viele Jahre selbstverständlich erschien. Es ist unbequem, und wie. Viel einfacher wäre es, eine Waschmaschine anzuschmeißen und alles zu waschen.
Und trotzdem werden manche Kleidungsstücke per Hand gewaschen. „Back ot he roots“, zurück zu den Wurzeln. Man lebt sehr essenziell, versucht, auf Überfluss und Luxus zu verzichten und manche Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen und den Dingen einen neuen Wert zuzuschreiben. Viele der Mitbrüder nehmen sich vor, nicht nur ihre eigene, sondern auch die Wäsche von anderen zu waschen: die versteckte Nächstenliebe, die „carità nascosta“. „Das bringt vom eigenen Ich weg“, sagt mir Fabian, der den Weg im Cenacolo bereits mehrere Jahre geht. Wichtig dabei ist nur, dass die Besitzer der Wäsche nichts davon erfahren, sondern sich freuen, wenn sie frischgewaschene Wäsche auf ihrem Bett finden.
„Preghiera“: Im Advent nachts aufstehen und anbeten
Wie halte ich es mit meinem Gebetsleben? Bin ich präsent beim Rosenkranz? Spüre ich Wut und Müdigkeit, wenn ich frühmorgens zur Anbetung geweckt werde? Diese Gedanken und Fragen stelle ich mich. Ich beispielsweise habe mir nach einem langen Gespräch mit dem Hausleiter Georg vorgenommen, jeden Tag des Advents in die Nachtanbetung zu gehen – für meine Anliegen, die Anliegen der Gemeinschaft und die meiner Lieben. Das heißt: Aufstehen um kurz vor zwei Uhr nachts und für eine halbe Stunde oder Stunde innehalten. Der Kopf ist voll von den Eindrücken des vergangenen Tages und das Sammeln und Ruhigwerden fallen am Anfang schwer. Zu Anfangs noch mühsam, aber mit der Zeit schaffe ich es, mich mehr oder weniger gut wachzuhalten, die Lesungen des Tages oder einige Stellen aus der Bibel zu lesen.
Ich bete den Rosenkranz dankbarer und bewusster und versuche, mich innerlich auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. In der Gemeinschaft bin ich frei von allem Kommerz, der hierzulande bereits im September beginnt, wenn die ersten Lebkuchen in den Verkaufsregalen stehen. Nein – hier im Cenacolo-Haus geht es um das Wesentliche: Gott und seinen Sohn, der auf die Erde kommt, um uns zu erlösen. Eine Geschichte, die sich kein Mensch je hätte ausdenken können. Es ist das „pureste“ Weihnachtsfest, dass ich in meinem Leben gefeiert habe – mein Schwager in Spe sagte mir vor Kurzem, dass Cenacolo der „Peak des Guten“ sei. Wie recht er damit hat!
Weihnachten: Geschenke und Essen von Freunden der Gemeinschaft
In der Nähe des Cenacolo-Hauses in Österreich leben viele Freunde der Gemeinschaft, auch ehemalige Cenacololini mit ihren Familien. Befreundete Priester feiern mit uns die heiligen Messen während des Advents, hören sich die Beichte an und verbringen auch sonst viel Zeit mit uns. Andrea und Peter, ein befreundetes Ehepaar, haben sogar für uns einen Adventskalender gebastelt – jeder von uns, Jungs, darf eine Tüte aufmachen.
Die Zeit verläuft im Cenacolo zwar anders, aber nicht weniger schnell. Die Kapelle und das Haus sind weihnachtlich geschmückt. Die lebensgroße Krippe vor dem Haus ist aufgebaut (es kostet einige Überwindung, in drei Metern Höhe zu arbeiten) und ich kann den Heiligen Abend gar nicht erwarten. Der 24. Dezember selbst ist ein Festtag und es gibt ein mehrgängiges Essen – und das will auch vorbereitet werden. Sieben Jungs stehen in der Küche und bereiten den ganzen Tag das Essen vor, das wir uns schmecken lassen. Ich spüre eine Freude, die anders ist als Spaß oder Oberflächlichkeit, wenn ich mich nur darauf freue, was ich wohl bekomme – nein: Diese Freude im Cenacolo ist rein und echt. Sie geht tiefer, berührt die Seele und macht aus diesem Fest ein ganz Besonderes.
Tänze und Süßigkeiten nach der Christmette
Nicht nur in der Küche laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Ebenso gibt es Jungs, die sich um gute Laune kümmern. Eigens für das Fest haben sie mit uns Tänze, die sogenannten „gesti“, eingeübt. Schließlich singen wir dem Jesuskind nicht nur, sondern bringen auch im Tanzen unser Lob zum Ausdruck – und wie! Die Bänke schieben wir nach hinten und haben eine riesige “Tanzfläche” für uns – die Mitbrüder hauen in die Tasten bzw. in die Saiten und wir tun nichts Anderes, als uns zu freuen – aber eben mit dem ganzen Körper! Denn der Mensch ist eine Einheit von Leib und Seele. Und dadurch, dass die Seele durch die Liturgie und die spirituelle Vorbereitung auf das Fest so genährt ist, kann ich mit meinem ganzen Körper und mit tiefer Freude erfüllt einstimmen. Die Geschenke am Heiligen Abend haben Schülerinnen und Schüler aus einer Wiener Schule gemeinsam mit ihren Eltern für uns gepackt – wie schön und reinigend es ist, einfach nur dankbar zu sein für diese kleinen, aber großartigen Gesten.
Ich bleibe noch bis zum Osterfest in der Gemeinschaft und kann so die zwei wichtigsten Feste der Kirche in der Gemeinschaft Cenacolo feiern. Die Art und Weise, wie auf diese großen Feste hingearbeitet und sich vorbereitet wird, beeindruckt mich tief, denn ich habe so etwas vorher noch nie erlebt. Im schnellen Alltag ist kaum Zeit für ein solch tiefes Erleben dieser Feierlichkeiten, die unseren Glauben prägen. Termine, Geschenkekaufen und die Organisation der Feiertage und der Mahlzeiten prägen doch vorrangig breite Teile der Gesellschaft. Umso wertvoller war es, ein entschleunigtes Weihnachtsfest zu erleben, bei dem Jesus wirklich Platz hatte. Es war eine einzigartige und unbeschreibliche Zeit und ich kann jedem nur empfehlen, diese Erfahrung zu machen und Cenacolo hautnah zu leben.
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