Der kürzliche Sturm auf das Kapitol bedeutete einen Angriff auf die Demokratie. Die Ereignisse erschrecken. Ein paar Erklärungen zu der Regierungsform, die schon 2.500 Jahre alt ist, aber immer wieder neu definiert wurde.
Wie wir leben wollen, das bestimmen wir selbst. Im Großen, wie im Kleinen. Dies ist einer der wichtigsten Grundsätze unserer Gesellschaft. Daher entscheiden wir uns jeden Tag dafür, in einer Mehrheitsherrschaft zu leben. Das bedeutet nicht, dass jeder unserer Wünsche umgesetzt werden kann. Wir ordnen uns einem Konsens unter, der vor allem auf Kompromissen der verschiedenen Interessen basiert. Wir werden zu einem Volk und sind Subjekte, die sich in einer organisierten Form selbst regieren. Dieser Regierungsform stehen in der modernen Definitionsabgrenzung verschiedene Arten von totalitären und autoritären Regimen entgegen. Die Grenzen zwischen einer Demokratie und einem Regime müssen immer wieder neu definiert werden. Dies zeigen uns Vorfälle auf der ganzen Welt, bei denen es trotz der offiziellen Staatsformen dazu kommt, dass sich einzelne Gruppierungen über andere erheben und allumfassende Machtansprüche stellen. Die Basis der Demokratie ist somit eine sehr wackelige. Sie muss immer wieder Gleichberechtigung zwischen allen Menschen des Staates herstellen, um gesichert zu werden.
Auf diese Weise begann auch die Geschichte der Demokratie. Im Jahr 508 v.Chr., nach Jahren der Ausbeutung, wehrten sich die Athener gegen den regierenden Adel, samt seiner Unterstützer, und nahmen das Ruder selbst in die Hand. Die attische Demokratie in Athen beteiligte alle Bürger Athens, die direkt wählen und mitdiskutieren durften, unabhängig von ihrem Einkommen oder Stand. Sie prägt die Idee der Demokratie bis heute, zeigt aber auch deren Grenzen auf. Bürgerrechte erhielten nur die freien Männer der Stadt über 18 Jahren. Somit hatten schätzungsweise nur 15-20 % der Stadtbevölkerung das Wahlrecht inne. Zum Vergleich waren 2017 bei der letzten Bundestagswahl in Deutschland etwa 75% aller hier lebenden Menschen stimmberechtigt. Bedeutende Veränderungen sind die Abschaffung der Sklaverei und das Frauenwahlrecht. Das Wahlrecht bleibt jedoch bis heute in Deutschland nach wie vor Minderjährigen und Menschen ohne Staatsbürgerschaft verwehrt. Ausnahmen gibt es für Personen aus dem EU-Ausland auf kommunaler Ebene.
Eine Demokratie war und ist bis heute keine Herrschaft aller
Der Begriff δημοκρατία (Demokratie) besteht zwar aus den Wörtern “δῆμος” (Staatsvolk) und “κράτος” (Herrschaft, Macht) und lässt sich in etwa mit „Herrschaft des Volkes“ übersetzen. Allerdings muss hierfür bestimmt werden, welche Menschen überhaupt als herrschaftsfähiges Volk gezählt werden. Dieser bewusste Ausschluss von Menschen von der Möglichkeit, aktiv Teil der Demokratie zu sein, benachteiligt einige und muss daher Teil der gesellschaftlichen Debatte bleiben. Die Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft ist es daher, nicht-repräsentierte Minderheiten sowie nicht-stimmberechtigte Gruppen besonders in den Blick zu nehmen. Nur auf diese Weise funktioniert ein Staat für alle Menschen und nicht nur für den privilegierten Anteil.
So ist es wichtig, unter anderem Minderjährigen eine Stimme zu geben, auch wenn sie sich nicht mit einem Kreuzchen an der richtigen Stelle bedanken können. Ebenso wichtig ist die Art der Wahl. Die Wahlen in den USA sind ebenso wie in Deutschland indirekt. Allerdings präsentieren die gewählten Wahlleute in Amerika durch das Prinzip „The winner takes it all“ nicht die Zahl der abgegebenen Stimmen und zudem entsprechen einem Wahlmann/einer Wahlfrau nicht gleichviele Wähler. Dies ist ein Ungleichgewicht, welches zu Ungerechtigkeiten zwischen verschiedenen Wählergruppen aus zum Beispiel unterschiedlichen Regionen des Landes führt. Ungerechtigkeiten werden nicht einfach durch die Regierungsform der Demokratie ausgemerzt, doch sie ermöglicht es jedem Einzelnen, aktiv zu werden und mitbestimmen zu können.
Demokratie bedeutet, sich nicht auf der Leistung anderer auszuruhen
Die genannten Aspekte ließen sich noch weiter ausdehnen. Eine Demokratie ist genauso fehlerbehaftet wie die Menschen, die sie ausmacht. Eine Regierung kann nur so gut sein, wie die Menschen, die in ihr sitzen und die Ziele, die sie sich vornehmen. Diese Ziele wiederum werden von den Werten der einzelnen Personen, Parteien, Petitionen und natürlich unterschiedlichen Interessensverbänden bestimmt. Geld fließt immer noch in der Politik. Doch es ist nicht mehr nur Geld und Vitamin B.
Jetzt hat theoretisch jeder die Möglichkeit, gehört zu werden, sich zu organisieren, sich zu wehren. Das ist mühsam, kostet Zeit und auch Geld. Aber im Wesen einer modernen Demokratie stecken Strukturen, die das möglich machen, so zum Beispiel durch Demonstrationen, dem Rechtsweg, der Gründung oder dem Beitritt einer Partei oder einer Nichtregierungsorganisation (NGO). Dass wir diese Strukturen etabliert haben, ist etwas Wunderbares, wofür Generationen gekämpft haben. Im Wesen einer Demokratie steckt letztendlich der Grundsatz: „Gemeinsam schaffen wir das“. Wie genau? Das muss definiert werden.
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