Fragt man einen Menschen, was denn sein höchstes Ziel sei, so antworten viele mit der einfachen Phrase „glücklich sein“. Doch was bedeutet das genau? Ist das Streben nach Glück zur wichtigsten Tugend unserer Zeit geworden? Sollte ein perfekter Staat sich also ausschließlich um das Bewahren des Glücks seiner Bewohner kümmern?
In der Diskussion um die Definition von Glück spaltet sich die Bevölkerung. Für viele bedeutet Glück ein anhaltendes Gefühl von Zufriedenheit, für andere ist es ein kurzer Moment der Ekstase. Glück als Überbegriff für Gesundheit, Sorgenlosigkeit und Wohlstand. Also das Rezept für ein erfülltes Leben. Betrachtet man diese Begriffsdefinition, so kommt leicht die Frage auf, ob unser Staat sein Augenmerk nicht besser auf das ausnahmslose Sichern unseres Glückes legen sollte. Ein Staat, der gewährleisten könnte, dass jeder seiner Bewohner ein sorgenloses Leben im Wohlstand führen kann und des Weiteren niemals mit gesundheitlichen Problemen rechnen muss, würde sicher auf große Nachfrage in der Bevölkerung treffen. Doch wären wir bereit, dem Glück unsere Freiheit und Individualität unterzuordnen? Wie weit reicht unser Streben nach dem Glück und was wären wir bereit zu opfern?
In der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten spielt The Pursuit of Happiness, was Glücksstreben bedeutet, eine große Rolle. Dieses Dokument sichert das Recht der Bürger, ihren Freuden nachzugehen und ihr Leben auf die Weise zu führen, die sie glücklich macht. Glück als ein gesetzlich zugeschriebenes Recht. Doch inwieweit ist es dem Staat möglich, dieses Recht zu sichern? Freiheit bedeutet Selbstbestimmtheit. Ein Mensch, der sich frei entscheiden kann, entscheidet sich oft für sein Unglück. Gäbe es nun also eine Instanz, die einem die Freiheit abnähme, selbst zu entscheiden, so müsste man nicht die Verantwortung für seine Entscheidungen übernehmen, da diese gesetzlich vorgeschrieben und somit unumgänglich wären. Steht also Freiheit im Kontrast zum absoluten Glück, so müsste ein Staat, der sich zur Aufgabe gemacht hat, das absolute Glück seiner Bewohner zu sichern, deren Freiheit einschränken.
Ein weiterer Punkt, der zum Nachdenken anregt, ist die Gleichheit. So wären in einem Dorf, in dem keiner bevor- oder benachteiligt wäre, alle zufrieden. Es bestünde kein Grund zu Neid oder Missgunst. Wäre diese Gleichheit nicht gesichert, so würden die Dorfbewohner sich untereinander vergleichen, die Frage nach Gerechtigkeit würde sie umtreiben und das Dorf letztlich spalten. Das absolute Glück wäre so nur in einem Staat zu finden, in dem die Gewährleistung dieses dauerhaften, allgemeinen Glücks an oberster Stelle stünde und die persönliche Freiheit, wie auch Individualität des Einzelnen, daher komplett eingeschränkt werden müsste. Ein totalitärer Polizeistaat, der, wie die Geschichte zeigt, zum Scheitern verurteilt ist, wäre somit die Folge.
Mein Fazit ist daher: Das Streben nach absolutem Glück ist leichtsinnig, da es wichtigere Werte, wie zum Beispiel Freiheit und Individualität, gibt, deren Verwirklichung und Sicherung wir uns zur Aufgabe machen müssen. Das Durchlaufen von Höhen und Tiefe, ist das, was unser Menschsein ausmacht und wonach er wirklich strebt. Glück ist nun mal nicht als Dauerzustand gedacht, da der Mensch Tiefpunkte braucht, um die Hochpunkte erst wertschätzen zu können. Absolutes Glück ist somit utopisch und nicht realisierbar. Wir müssen uns also wohl oder übel mit unseren kurzen, aber explosiven Glücksmomenten zufrieden geben und eingestehen, dass das Streben nach absolutem Glück noch keinen glücklich gemacht hat.
Rainer Ostendorf
Häufig wissen wir, was uns gut tut, tun es aber nicht. Häufig wissen wir auch, was uns auf Dauer nicht gut tut, und tun es trotzdem.
Schöne Grüsse aus Osnabrück