Auf mehr als 1.000 deutsche Studentenverbindungen kommen insgesamt etwa 150.000 Mitglieder, bestehend aus „aktiven“, d. h. studierenden Mitgliedern und sog. „Alten Herren“, also ehemaligen „Aktiven“, die mittlerweile im Berufsleben stehen und jährlich durch einen festen Betrag das Verbindungsleben finanzieren, der im unteren, mittleren oder oberen dreistelligen Bereich liegt. Damit ist in Deutschland etwa jeder 100. Student „korporiert“, also Mitglied in einer Studentenverbindung.
Was ist eine Studentenverbindung?
Eine Studentenverbindung ist ein fest organisierter Verbund aus aktiven und ehemaligen Studenten, die ein Leben lang freundschaftlich verbunden bleiben möchten. Das Ziel eines solchen Lebensbundes ist es, enge Kontakte oder besser, wahre Freundschaften zwischen den Studenten einer Generation und über Generationen hinweg zu ermöglichen, diese zu vertiefen und durch regelmäßige Treffen und Veranstaltungen am Leben zu halten. Meistens hält die Mitglieder einer Verbindung ein gemeinsames Prinzip zusammen, etwa eine bestimmte religiöse Ausrichtung oder ein gemeinsames Hobby. So gibt es zahlreiche katholische Studentenverbindungen und -vereine, einige christliche Studentenverbindungen und außerdem: Sängerschaften und Akademische Musikverbindungen, Turnerschaften, Jagdverbindungen und vieles mehr. Wieder andere Verbindungen nennen sich „Burschenschaften“, „Landsmannschaften“ oder „Corps“.
Manchmal wird die Bezeichnung „Burschenschaft“ mit „Verbindung“ verwechselt. Diese beiden Titel sind aber keineswegs deckungsgleich. Nur 150 der insgesamt 1.000 Studentenverbindungen in Deutschland sind auch Burschenschaften. Während Burschenschaften, Landsmannschaften und Corps in der Regel mit scharfen Waffen Mensuren schlagen bzw. fechten, lehnen katholische und christliche Studentenverbindungen dies ab. Sie sind nicht-schlagend. Sämtliche Studentenverbindungen verbindet allerdings das Tragen oder Führen von „Farben“: Bei bestimmten Anlässen tragen Verbindungsstudenten Band, Mütze und/oder einen Zipfelbund, d. h. am Gürtel befestigt viele kleine farbige Schmuckanhänger, die befreundete Verbindungsstudenten untereinander tauschen. Bei besonderen und hochoffiziellen Anlässen, etwa bei einer Hochzeit oder einer Beerdigung, „chargieren“ Vertreter von Studentenverbindungen in bunten Uniformen. Und noch eines verbindet „Corpos“: Sie trinken gerne Bier.
Die bunte Welt der Couleurstudenten
Viele Studienanfänger geraten zum ersten Mal in Kontakt mit einer Studentenverbindung, weil sie ein günstiges Zimmer in der Nähe ihrer Universität suchen. Verbindungshäuser bieten ihre „Buden“ meist ein wenig günstiger an, um so Studenten für die Verbindung zu interessieren. Im Fachjargon heißt das: „keilen“. Wer in eine Verbindung eintreten möchte, wird zunächst auf Probe aufgenommen und wird zum „Fux“. Die Fuxenzeit, meist etwa ein Jahr, dient dazu, dass die Neumitglieder den Bund näher kennen lernen und sich schließlich entscheiden können, ob sie wirklich ein Leben lang zu der Verbindung gehören möchten. Wer in eine Verbindung eintritt, bindet sich nämlich spätestens mit der Aufnahme als Vollmitglied (Burschung) ein Leben lang. Verbindungen sind ein Lebensbund.
Zugleich müssen sich die Füxe auch erst einmal beweisen: Sind sie bereit, Zeit in die Verbindung zu investieren, die Chargen (Vorstände in der Verbindung) bei Verbindungsveranstaltungen zu unterstützen und später auch selbst einmal eine Charge zu übernehmen? Natürlich muss auch das Persönliche stimmen. In ihrer Fuxenzeit lernen die Neumitglieder die Geschichte der Verbindung kennen, üben sich im Comment (Vorschriften, die das Verhältnis zwischen Verbindungsstudenten regeln), machen Kneipen und Kommerse mit und legen schließlich eine Burschenprüfung ab, in der Informationen zur Verbindung und etwa auch das Liedgut der Verbindung abgeprüft wird. Wer die Burschenprüfung bestanden hat, dem stehen alle Wege zur Burschung offen. Burschen sind Vollmitglieder der Verbindung und sind in allen Verbindungsangelegenheiten voll stimmberechtigt. Sie bilden den Kern der Aktivitas (aktive Verbindung).
Welchen Mehrwert haben Studentenverbindungen?
Bevor jemand in eine Studentenverbindung eintritt, wird er sich natürlicherweise die Frage stellen: Was bringt mir das? – Eigentlich ist diese Frage gerade in einer Verbindung nicht angebracht. Verbindungen sind nämlich keine beruflichen Netzwerke oder Kontaktbörsen, sondern Freundschaftsbünde. Wer in eine Verbindung eintritt, möchte ehrliche Freundschaften fürs Leben knüpfen. Dies ist auch der Weg, wie die meisten zur Verbindung kommen: Freunde bringen ihre Freunde mit und diese werden dann aktiv. In einer Verbindung kann man darüber hinaus unglaublich viel lernen. Gerade als Fux und Charge stehen Dienstbereitschaft und Verantwortung im Vordergrund. Man übernimmt Aufgaben in einer meist sehr traditionsreichen Gemeinschaft von aktiven Studenten und zahlreichen Alten Herren und lernt so etwa, ein Semesterprogramm zu gestalten, Veranstaltungen professionell zu organisieren, Konflikte zu lösen und gut zu kommunizieren.
Zurückblickend auf zwei Semester Fuxenzeit, ein Conseniorat und ein Seniorat in einer katholischen Studentenverbindung kann ich für mich sagen, dass mich diese Zeit persönlich sehr vorangebracht hat. Im Verbindungsalltag habe ich im eigenen Bund, im Dachverband und sonst in der couleurstudentischen Szene mit zahlreichen Studenten unterschiedlichen „Backgrounds“ zu tun, erhalte so Einblicke in verschiedene Lebensumfelder und kann tiefe Freundschaften knüpfen. Wenn ich so in meine Kontaktliste blicke, dann landen ganz oben zahlreiche Bundes- und Cartellbrüder, die ich ohne meine Verbindungsmitgliedschaft vermutlich nie kennengelernt hätte. Bei einem Bundes- und Cartellbruder weiß ich direkt, wo ich dran bin. Man kommt völlig unverkrampft und gerne ins Gespräch und kann meist über einige Dinge viel offener und direkter reden. Es gibt eben eine gemeinsame Grundlage: das Interesse an festen und nachhaltigen Freundschaften, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und – in meinem Falle – der gemeinsame katholische Glaube.
Natürlich gibt es in einer Verbindung nicht immer nur akademische Vorträge. Ganz im Gegenteil: Man feiert gemeinsam Feste, trinkt zusammen ein Glas Bier oder Wein und kommt völlig ungezwungen ins Gespräch. Wer einmal zwischendurch als aktiver Bursch oder Alter Herr den Weg aufs Verbindungshaus findet, wird (fast) immer Menschen antreffen, mit denen man ein Paar gemütliche Stunden verbringen kann.
Herman Heins
Trotel, die Begriffe christlich und evangelisch sind nicht deckungsgleich. Sonstallerdings sehr nett.