Kein Kleidungsstück vereint die Menschheit so sehr wie der Herrenanzug: Die Frauen lieben ihn, die Männer tragen ihn. Unser Autor gehört zur zweiten Gruppe. Eine Lobeshymne auf den Anzug von Marcel Urban.
Geliebter Anzug,
ich kann dir nicht beschreiben, wie sehr mein Herz in der Brust vor Freude zu tanzen beginnt, wenn ich aus dem Bett steige und dich im Kleiderschrank hängen sehe. Ich vermag dieses Glücksgefühl nicht zu beschreiben, wie es sich anfühlt, den passenden Gürtel zu den weichen Lederschuhen herauszusuchen. Du gibst mir das Gefühl, dass der heutige Tag produktiv und kreativ wird. Du schenkst mir eine besondere Weise, mein Leben zu gestalten.
Du bist kein Trendsetter, aber du bist nie aus der Mode. Du bist klassisch.
Es gibt dich für jeden passenden Anlass. Deine Farben gehen mit der Sonne.
Dein Schwarz begleitet die Nacht.
Mit dir muss man keine Kompromisse eingehen. Sollte es einen Dresscode geben, zu dem du nicht passt, so hole ich deine größeren Zwillingsbrüder zu Hilfe: Cutaway und Frack, Dinnerjacket und Smoking.
Schön bist du, mein geliebter Anzug,
mit dir verbindet man eine schicke Frisur, geschnittene Fingernägel und saubere Schuhe.
Es jubelt das Herz der Frau und frohlockt ihrer Seele, wie in Salomos Sänfte trägst du mich dahin.
Du bist nicht langweilig, du bist zeitlos. Zu dir gibt es unglaublich viele Accessoires. Ob Reversblume oder Einstecktuch, ob Hut oder Regenschirm – mit dir geht man nicht unter, sondern mit der Mode.
Du sorgst für Gesprächsstoff. Man kann über die Varianten der Krawattenknoten diskutieren und sich zwischen Brogues, Budapester und Oxford entscheiden.
Die Krawattenklammer gibt mir stets Halt und Sicherheit, damit auch in stürmigen Zeiten alles sitzt.
Wenn jemand fragt, ob ich etwas zum Schreiben habe, muss ich dies nie verneinen, denn in der Innenstasche des Sakkos befinden sich immer einige blanko Karteikarten, sowie Füller und Bleistift.
Dein geöffneter erster Knopf am Ärmel erzählt mir die Geschichte deines Schneiders. Ob jemand den untersten Knopf des Sakkos oder der Weste offen lässt, zeigt mir, ob dich mein Gegenüber mit Würde trägt oder nicht.
Es sollen mir Coco Chanels Worte immer in Erinnerung bleiben:
“It is always better to be slightly underdressed.”
Mögest du mir nie das Gefühl geben, erhabener zu sein.
Ich will dich immer mit Demut tragen. Denn nicht du machst mich zu einem Gentleman. Nein, es liegt an mir, mich zu einem verantwortungsvollen Mann zu entwickeln. Nicht du schenkst mir Höflichkeit und Manieren.
Ich selbst muss zu einem Mann werden – zu einem Mann mit Anstand, Tugend und Gottesfurcht, zu einem Mann, der an das Gute in den Menschen glaubt, zu einem Mann, der würdig ist, einen Anzug, wie dich zu tragen.
So muss ich heranreifen: von innen nach außen – wie ein guter Gouda.
Du bist eine Hilfe für mich.
Du hast eine besondere Wirkung auf meine Haltung, meine Ausstrahlung und mein Denken.
Du ermahnst mich, mich meinen Mitmenschen gegenüber respektvoller zu verhalten, als in einer Jogginghose – die die Meisten nicht mal zum Joggen tragen.
Du hilfst mir, mich besser zu artikulieren.
Du hilfst mir, immer richtig gekleidet zu sein.
Du hast dich als klassisches Modestück in der westlichen Welt durchgesetzt.
Und mit was? Mit Recht!
Du bist der Herrenanzug.
Dieser Beitrag wurde finanziell möglich gemacht durch das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg. Schaut Euch auch die Homepage an: http://institut-walberberg.de/index.php?cID=1
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