Psychohygiene ist in der heutigen schnelllebigen Zeit ein wichtiges Thema. In einer Gesellschaft in der stetig gefordert wird, sei es im Berufs- oder Privatleben, kommen wir Menschen schnell an unsere (psychischen) Grenzen. Was genau ist in diesem Zusammenhang der Unterschied zwischen der Diagnose Burn-Out und einer diagnostizierten Depression?
Diagnosen wie „Burn-Out“ sind in der heutigen Zeit keine Seltenheit. Sie passt ironischerweise leider zu perfekt in unsere Leistungsgesellschaft. Klingt leistungsorientiert, nach Aufopferung und Anstrengung. Hört man im Berufsleben, dass ein Kollege erkrankt ist und auf unbestimmte Zeit ausfällt, assoziiert man gerne mal Bilder, wie ebendieser endlos lange im Büro Überstunden geackert hat. Burn-Out, übersetzt „ausgebrannt“ – ein Wort, welches sich wieder schön an die hohen Gesellschaftsanforderungen von Leistungserbringung und Sprüchen wie „Kannst du was – bist du was!“ anpasst.
Das ICD – Die Bibel der Medizin
In der Medizin gibt es das ICD (ICD, englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Es wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und oft auch als Internationale Klassifikation der Krankheiten bezeichnet.
Jedes Kapitel charakterisiert eine andere medizinische Fachrichtung. So gibt es im derzeit gültigen ICD-10 aktuell 22 Kapitel. Im Kapitel V des ICD-10 werden psychische Störungen und Verhaltensstörungen behandelt. Dieses Kapitel ist somit die „Offenbarung“ der psychiatrischen Medizin, welche zu Rate gezogen wird, um Krankheitsbilder in diesem Bereich zu klassifizieren.
Burn-Out ist keine Krankheit
Gemäß dem aktuell geltenden ICD-10 ist das Burn-Out-Syndrom keine Krankheit, sondern wird lediglich als Inklusivum unter dem Code Z73 in Kapitel XXI: „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ geführt. So kann man sagen, dass es sich um eine (vorübergehende) Krise handelt, welche den aktuellen Gesundheitszustand des Menschen beeinflusst. Es handelt sich also um Patienten, welche das Gesundheitssystem nicht aufgrund von deklarierten Krankheiten, sondern aus sonstigen Gründen in Anspruch nehmen.
Wenn wir rüber schauen in die USA, ist Burn-Out ebenfalls keine eigenständige Erkrankung. Denn auch hier, wird sie von der American Psychiatric Association im DSM-5 nicht also solche deklariert. Burn-Out ist dort im Unterschied zur Depression keine Behandlungs- sondern eine Rahmen- oder Zusatzdiagnose. Demnach folglich als Komorbidität (= Begleiterkrankung) einzustufen.
Wo ist die Abgrenzung von Burn-Out zur Depression?
Es gibt mehrere Arten der Depressions-Krankheit. Im ICD-10 wird die Depression unter den Diagnoseschlüsseln von F32.0 – F32.3 geführt und in leicht, mittelgradig bis schweren Episoden unterteilt. Es gibt allerdings noch viele weitere Arten der Depression, auf welche ich hier nicht weiter eingehen werde. In manchen Fällen, ist eine Depression eine Komorbidität (=Begleiterkrankung) welche sich aus anderen Krankheitsbildern oder auch Persönlichkeitsstörungen entwickelt hat.
Noch nicht diagnostizierte Borderliner oder auch Narzissten können im Rahmen einer persönlichen Lebenskrise in eine Depression rutschen. Mit Ihren Persönlichkeitsmerkmalen, resultierend aus in der Kindheit angeeigneten Abwehrmechanismen, kann ein großer Leidensdruck im Erwachsenen-Sein entstehen. Dies äußert sich in verschiedenen Lebensbereichen, in privaten und / oder beruflichen Verbindungen und das Leiden droht schlussendlich in eine Depression zu führen. Sucht sich dieser Mensch dann Hilfe, kann die Depression als Komorbidität zur Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden.
Im ICD-11, welches im Jahr 2019 durch die WHO verabschiedet wurde und ab dem 01.01.2022 in Kraft tritt, soll die Diagnose „Burn-Out“ nach wie vor nicht als Krankheitsbild aufgenommen werden. Dies kann auf der Homepage der WHO nachgeschlagen werden. Ich zitiere wie folgt:
„Burn-Out ist ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz konzipiert wird, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. […] Burn-Out bezieht sich speziell auf Phänomene im beruflichen Kontext und sollte nicht angewendet werden, um Erfahrungen in anderen Lebensbereichen zu beschreiben.“
Falsch-Diagnosen aufgrund von gesellschaftlicher Stigmatisierung
Aus meiner Sicht ist der Übergang von Burn-Out und Depression fließend. Die kennzeichnenden Merkmale dieser psychischen Diagnosen sind fast identisch und nur in wenigen Punkten deviant. Wie oft wird die Diagnose Burn-Out gestellt, obgleich es sich vielleicht vielmehr um eine Depression handelt?
Da psychische Krankheiten in unserer heutigen Gesellschaft noch immer sehr stigmatisierend behandelt werden, ist es allemal „besser“ sich mit einem Burn-Out als mit einer Depression diagnostizieren zu lassen. Wer möchte schon einen Arbeitnehmer mit psychischen Problemen weiterbeschäftigen? So wird doch meist unbewusst suggeriert, dass dieser Mensch sein Leben nicht im Griff hat und somit auch im Arbeitsleben nicht abliefern kann, wie es vom Arbeitgeber gefordert wird.
Fakt ist eine psychische Störungen kann jeden treffen. Wenn das Umfeld und die Umstände nicht stimmig sind, kann jeder psychisch erkranken. Dann gilt es sich die hier zusammenspielenden Faktoren genau anzusehen und entsprechend zu ändern. Ob nun Burn-Out oder Depression – auch ein Burn-Out beeinträchtigt das Leben in schwerwiegendem Maße und birgt schließlich die Gefahr in eine diagnostizierte Depression zu münden, sollte man sich keine Hilfe suchen. In beiden Fällen ist eine Psychotherapie ratsam und ein Weg sein Leben wieder zu ordnen und neu aufzustellen. Und diese ist in den allermeisten Fällen erfolgreich.
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