Jährlich macht der Wold Downsyndrom Day auf die Chromosomenstörung aufmerksam, die nicht nur eine geistige Behinderung, sondern meist auch körperliche Fehlbildungen mit sich bringt. Unsere Autorin Michaela hat eine Tante, die von genau dieser Krankheit betroffen ist. In einem Brief teilt sie ihre ganz persönlichen Gedanken dazu.
Liebe Tante Anja,
dass gestern der World Downsyndrome Day war, hast du mit Sicherheit nicht mitbekommen… Wahrscheinlich hast du nichts mitbekommen von der Aktion mit den unterschiedlichen Socken, die ich auf Instagram gesehen habe. Eine Mami möchte damit auf das Thema aufmerksam machen, das finde ich schön und traurig zugleich. Als nämlich ihr Sohn mit Downsyndrom zur Welt kam, hatte sie bis dato weder etwas davon gehört noch eine Begegnung gehabt mit diesen ganz besonderen Menschen 🙂
Auch wenn ich mir das kaum vorstellen kann. Für mich ist es so normal. Denn du kamst damals zur Welt, fast 20 Jahre vor mir und seit ich mich erinnern kann, bist du einfach da 🙂
Ich glaube, wenn’s ums Thema Zeitpunkt und Förderung geht, hattest du es gar nicht so schlecht. Als du geboren wurdest vor nicht ganz 50 Jahren konnte man im Voraus nicht wissen, ob ein Baby ein Chromosom zu viel hat oder nicht. Heute wird das oft untersucht und wenn ein Risiko besteht und Eltern es sich nicht vorstellen können, so eine große Verantwortung zu übernehmen, ist leider die Konsequenz, dass die meisten Babys das Licht der Welt gar nicht erst erblicken… das ist traurig. Und da es statistisch neun von zehn sind, ist es auch kein Wunder, dass diese Frau noch nicht einmal davon gehört hat.
Klar braucht es dann auch weniger Fördereinrichtungen, wie die Schule, die du besuchen konntest nach der Grundschule zusammen mit allen anderen Kindern aus deinem Dorf. Ganz normal. Und dann die Werkstätte für Menschen mit Behinderung, wo du jahrelang so gern gearbeitet hast, dass man dich zu Urlaub regelrecht überreden musste. Aber dazu ein andern mal mehr. Ich hab da nämlich von jemandem gehört, dem es ganz ähnlich geht wie dir. Fleiß ohne Ende…
Du weißt ja, dass Oma und Opa damals total überrumpelt waren, als du zur Welt kamst und auch nicht wussten, was da auf sie zukommt. Und trotzdem, denke ich, war es gut so: Anja ist da und sie war ein ultra süßes Baby! Und im Endeffekt warst du nicht die Einzige im ganzen Umfeld. Das macht es doch auch etwas leichter und man kann sich gegenseitig helfen.
Trotzdem kann ich mir nur schwer vorstellen, dass jemand heute gar keine Ahnung hat, wie fröhlich die meisten Menschen mit Downsyndrom sind. Das Leben im Moment. Das Genießen von Musik oder andere Leidenschaften. Die Treue, wenn’s ums Thema Aufgaben geht… Ich verstehe nicht, warum so viele sagen, das sei keine Lebensqualität… Ich denke, so viele Menschen jammern nur über ihre Arbeit und ärgern sich über alles und jeden – was ist das bitte für eine Lebensqualität?
Naja, ich möchte mich nicht aufregen. Es ist halt traurig aber wahr, mit welchen Maßstäben gemessen wird und über andere entschieden, ohne sie selbst zu fragen..
Schau doch mal, wie du mich als Baby gehalten hast. Da gibt’s so schöne Fotos, erinnern kann ich mich leider nicht. Aber du ganz gewiss. Ich denke, das nächste Mal, wenn wir dich besuchen kommen, bringe ich ein Album mit. 🙂
Ich hab dich lieb! Bis bald,
Deine Michi
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