Buckelpisten, Eispisten, Tiefschnee oder doch normale Skipiste? Die beiden Münchner Hans Beyer und Michael Reifinger produzieren Skier nach individuellen Wünschen. Unser Autor hat die beiden Jungunternehmer in ihrer Werkstatt getroffen.
Früher hätte Hans Beyer wahrscheinlich noch gesagt, sein handgefertigter Ski sei unverwüstlich und nicht kaputt zu kriegen. Früher, das war, bevor er am Dachstein in Österreich abseits der Piste aufgrund schlechter Sicht fast 15 Meter tief in eine Senke fiel. „Meine ersten selbergebauten Skier waren Schrott“, klagt Bayer, der mit einem Kreuzbandriss und Prellungen einigermaßen glimpflich davon kam. Schon kurz nach dem Unfall stand er wieder in seiner Werkstatt und arbeitete an einem Nachfolgemodell.
Angefangen hat alles 2006, als Hans Beyer nach dem perfekten Freeride-Ski für sich suchte. Er fand aber keinen, der seinen Vorstellungen gerecht werden konnte. „Skier selber herzustellen kann doch nicht so schwierig sein“, dachte sich der heute 32-Jährige. Beyer eignete sich über Jahre das notwendige Know-How an, das zum größten Teil aus den USA kam, wo bereits Jahre zuvor mit der individuellen Handfertigung von Skiern begonnen wurde. „Als der erste Ski fertig war, waren Freunde und Bekannte so begeistert, dass sie auch solche haben wollten“, meint Hans Beyer. „Sie waren meine ersten Kunden.“ Mit seinem Kompagnon Michael Reifinger, den er beim Skifahren kennengelernt hatte, und einem Startkapital von 25.000 Euro gründete er 2011 in München die Sway GmbH, die individuelle, handgefertigte Alpin- und Tourenski herstellt.
Mit ihrer Geschäftsidee wollen die beiden Münchner aber nicht nur die Ski-Freaks glücklich machen, auch ganz normale Pistenfahrer können bei Sway einen passgenauen und individuell gefertigten Ski in Auftrag geben. „Das persönliche Gespräch mit dem Kunden ist die Basis für einen guten Ski. Wir wollen verstehen, wie unser Kunde fährt und was sein Ski können soll, um ihm ein perfektes Fahrerlebnis zu geben“, erklären die Gründer.
Informationen sind der Schlüssel zum perfekten Ski
Der Online-Fragebogen auf der Webseite der GmbH ist der erste Schritt, an dem der Kunde seine Schwerpunkte setzen kann. Zum Fahrstil und zu den individuellen Wünschen kommen Körpermaße, wie Gewicht und Größe hinzu, damit der Ski genau auf die Eigenschaften des Kunden abgestimmt werden kann.
„Was uns von der Massenproduktion unterscheidet, ist der persönliche Kontakt zum Käufer, das verwendete Material und die Verarbeitung“, sagt Beyer. Das Herz eines jeden Sway-Skis besteht im Kern aus Massivhölzern. „Wir verwenden ausschließlich Eschenholz, das wir aus Österreich beziehen, und leichtes Paulowniaholz, das aus Übersee importiert werden muss, da es zurzeit noch nicht in Europa angebaut wird“, erläutert Reifinger. Das Eschenholz wird im Bindungsbereich eingesetzt, da es optimale Kraftübertragung ermöglicht und so ein Ausreißen der Bindungsschrauben verhindert. Das Paulowniaholz wird an weniger stark beanspruchten Stellen verwendet, da es auf der einen Seite Stabilität bietet, auf der anderen Seite ist das Holz im Vergleich zum Eschenholz leichter. „Jeder Skifahrer hat ganz eigene Ansprüche an den Charakter seiner Skier – Sway hat für alle Anforderungen die passenden Materialien und Lösungen“, resümiert Hans Beyer.
Technisches Know-How für den Ski
Das Unternehmen bietet seine Skier in zwei verschiedenen Ausführungen an. Entweder mit einer Glasfaserschicht, die ein ausgewogenes Fahrverhalten des Skis bei guter Dämpfung bietet, oder Skier mit einer Carbonschicht. Diese ist im Vergleich zur Glasfaserschicht deutlich teurer und aufwendiger bei der Verarbeitung, ermöglicht dem Skifahrer aber ein exakteres und direkteres Fahrverhalten. Zudem sind Skier mit Carbonschicht wesentlich leichter und langlebiger. „Wir verwenden für unsere Carbon-Bauweise ausschließlich hochwertigste Kohlefasern. Eine vergleichbare Konstruktion ist bei Großherstellern zurzeit auf dem Markt nicht erhältlich“, meint Hans.
Hergestellt werden die Skier in einer kleinen Schreinerei in der Sommerstraße in München. „Viele Apparaturen haben wir selbst entworfen und gebaut, wie zum Beispiel unseren Ski-Brutkasten. Hier werden die Skier bei konstanten 35 Grad Celsius gelagert, damit der Leim gut abbinden und aushärten kann“, sagt Reifinger.
Im Vergleich zur Massenproduktion müssen Kunden länger auf ihre Skier warten und tiefer in die Tasche greifen. „Vom ersten Gespräch bis zum fertigen Ski vergehen ungefähr vier Wochen“, erklärt Reifinger. Zwischen 1200 und 1700 Euro kostet das fertige Paar Skier mit Bindungen der französischen Marke Look. Industriell hergestellte Skier bekommt man hingegen bereits ab 200 Euro.
Die meisten Kunden sind „gute und leidenschaftliche Skifahrer“, so Reifinger. Viele Kunden der Sway GmbH suchen seit langem einen Ski, der persönlich auf sie zugeschnitten ist. „Einen solchen Skier im Sportfachhandel zu finden ist fast unmöglich“, so Rainer Lucas, der seit der Saison 2011/12 einen Sway Ski fährt. „Ich bin sehr zufrieden. Es ist ein toller Ski mit dem ich sehr gut zurechtkomme. Ich wollte einen Ski, der auf mein Gewicht, Fahrkönnen und meinen Geschwindigkeitsbereich abgestimmt ist. Meine Skier sind fantastisch und es gibt sie nur einmal.“
Der Drang zum Individualismus
Die Nachfrage nach individuellen, handgefertigten Ski steigt spürbar an. Dennoch gibt es in Deutschland nur wenige Hersteller, die solche Skier herstellen. Was die Sway GmbH zusätzlich auszeichnet, ist, dass die handgefertigten Skier optimal auf den Fahrer abgestimmt werden, was ein besseres Fahrerlebnis erlaubt.
Zurzeit produzieren Hans, der Doktor der Chemie ist, und Michael, der Mathematik und Philosophie an der LMU München studiert hat, pro Jahr zwischen 60 und 80 Skier. „Für professionelle Werbung fehlt uns zurzeit noch das Budget. Nur durch Mundpropaganda und unsere Internetseite werden neue Kunden aufmerksam auf uns“, sagt Michael. Genaue Umsatzzahlen erfährt man aus der Werkstatt in München keine. Nur folgendes geben die beiden Jungunternehmer preis: „Im letzten Winter lag der Umsatz im fünfstelligen Bereich. Wir wachsen stetig und entwickeln unsere Skier immer weiter“.
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