Die Borderline-Störung kann man tendenziell als eine „Beziehungsstörung“ bezeichnen. Sie ist nicht von außen sichtbar, sondern zeigt sich anhand entsprechender Verhaltensweisen. Hier erläutere ich euch, wie sich diese Diagnose auf meine Beziehungen auswirkt bzw. ausgewirkt hat.
Ich bin eine gestandene Frau im besten Alter. Ich habe einen Job und stehe mittlerweile wieder mit beiden Beinen im Leben. Meine Borderline-Störung sieht man mir nicht an. Es sind meine Verhaltensweisen, welche mein Umfeld stutzig machen. Langsam habe ich es geschafft, meine Störung im beruflichen Umfeld in den Griff zu bekommen. Während ich meine Unsicherheiten nicht mehr in impulsiven Wutattacken an meinen Chef oder meine Kollegen richte, fällt mir der Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen leider immer noch recht schwer. Eine Liebesbeziehung zu einem netten Mann zu führen, bringt mich an meine Grenze. Mein Körper gerät unter Hochspannung und reagiert. Es ist Stress pur. Der gestörte Teil meiner Persönlichkeit meldet sich zu Wort. Es ist mein „Borderline“.
Stress verursacht einen Mangel an Vitalität
An einer Borderline-Störung zu leiden, ist anstrengend und raubt Unmengen an Energie. Ständig fühlt man sich erschöpft, wenn sich das System „Borderline“ im Körper mal wieder hochgefahren hat wie eine Male-Software auf einem Computer. Diese Anspannung im Körper, wenn Akutsituationen auftauchen, verursacht Stress. Borderline ist eine sehr stressige Angelegenheit. Es ist ein Teil in mir, der immer da ist. Mal laut, mal leise. Dieser Teil, der sich aktiviert, wenn mir alles zu viel wird. Am stressigsten ist der Austausch und die soziale Interaktion mit anderen Menschen. Wenn sich diese dann noch in einem Umfeld abspielen, welches gemeinhin eine romantische Liebe wie eine Partnerschaft bezeichnet, dann ist Vorsicht geboten.
Die Sensoren sollten nicht überstrapaziert werden. Denn eine Beziehung zu führen, bedeutet Stress. Dieser Stress sitzt in mir drin. Er hat sich aufgrund meiner Prägungen in der Kindheit manifestiert. Wenn mir jemand (zu) nahe kommt und meine Ängste antriggert, dann drehe ich durch. In mir geht ein Film an. Ich beschwöre ein Horrorszenario herauf, welches an Drama kaum zu überbieten ist. Dann will ein Teil in mir die Beziehung sofort beenden und wegrennen. Dieser Teil in mir beginnt, Terror zu machen und attackiert den anderen aufs Übelste mit wirren Unterstellungen und ausgedachten Szenarien. Das sind die schlimmen Seiten dieser Störung. Es ist zerstörerisch und auch für mich nicht angenehm. Es ist anstrengend und stresst mich sehr. Leider kann ich dieses Verhalten nicht einfach abstellen. Immer mal wieder kommt es über mich, wie eine (Gefühls-)Lawine.
Die „Logik“ der Borderline-Störung
Natürlich meldet sich dieser Borderline-Teil auch mal leise, aber nicht weniger schädlich. Er ist dann lediglich auf mich fokussiert. Dann arbeitet die Störung in meinem Kopf. Ganz leise und für niemanden, außer mir selbst, wahrnehmbar. Ich kann es gut verstecken. Es wirkt sich auf meinen Gemütszustand aus. Meine Laune ist am Boden – genauso wie mein Energielevel und allgemein meine Vitalität, die einfach nicht vorhanden ist. An Borderline zu leiden, bedeutet auch, sich mit Selbsthass auseinandersetzen zu müssen. Der Borderline-Anteil mit dem inneren Kritiker im Kopf führt dazu, dass man sich selbst abwertet und verurteilt. Es ist die eigene Psyche, die es unmöglich macht, sich ernsthaft und vertrauensvoll auf eine Beziehung einzulassen.
Es ist mein eigener Kopf, der mich dazu zwingt, wachsam zu bleiben, um potenzielle Angriffe rechtzeitig abwehren zu können. Auch das ist anstrengend, wenn man sich nie wirklich entspannen und vertrauen kann. Wenn mein Beziehungspartner nur wüsste, was in meinem Kopf vorgeht, dann würde er mich ganz sicher verlassen. Aber so weit, lasse ich es nicht kommen. Ich zerstöre die zarte Blume der angehenden Beziehung selbst. Dann muss ich auch nicht mehr wachsam sein. Außerdem ist der Stress mit dem enttäuschten Partner ebenfalls verschwunden und es macht sich wieder eine Erleichterung im Körper breit, die befreiend und traurig zu gleich ist. Die Logik dieser Borderline-Störung bringt nicht wirklich weiter. Sie wirft eher zurück, bringt Einsamkeit. Doch manchmal bin ich dem hilflos ausgeliefert.
Pessimistische Grundeinstellung
Die Grundstimmung eines Borderliners ist leider mehrheitlich pessimistisch, selten voller Freude und Glück. Wenn doch, kann man es nicht wirklich genießen, da man verinnerlicht hat, dass ein Dämpfer kommen wird. So war es in der Kindheit und so projiziert man es immer noch auf die gegenwärtigen Situationen. Hinter diesen Verhaltensweisen steckt im Kern lediglich eine große Unsicherheit und vor allem Angst. Angst davor, belogen und betrogen zu werden. Angst, verletzt und verlassen zu werden. Am Ende wieder allein dazustehen. So wie es erfahrungsgemäß immer war. Wäre da positiv denken nicht auch irgendwie eine Verzerrung der erlebten Realität? Eine Wunschvorstellung? Träumerei? Besser nichts riskieren, lieber innehalten, stillstehen. Sich unsichtbar und klein machen, wenn „sich auflösen“ in der Realität schon nicht funktioniert.
Du kannst deinen Borderline-Partner nicht erlösen
In aller Deutlichkeit möchte ich hervorheben, dass sich kein Mensch mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung diese destruktiven Verhaltensmuster selbst ausgesucht hat. Wir sind nicht so auf die Welt gekommen. Es war das schädliche und lieblose Umfeld, welche uns diese Störung beschert hat. Es ist eine Überlebensstrategie gewesen. Dissoziieren oder sterben. Die Psyche ist schon ein Wunderwerk der Natur. Und dennoch, eines ist geblieben: Eine gebrochene Seele und Angst sowie Misstrauen. Wie soll man aus einer solchen Konstitution heraus eine funktionierende Beziehung eingehen? Es wird nicht funktionieren. Auch nicht mit noch so viel Liebe und Hingabe des Partners. Denn niemand – außer mir selbst – kann mich von dieser Störung und meinen daraus resultierenden destruktiven Verhaltensweisen befreien oder gar heilen.
Aber ich kann Verantwortung für mich und diese Erkrankung übernehmen und mich auf die Reise machen, eine Beziehung mit mir selbst einzugehen. Mit Selbstmitgefühl und Selbstliebe, also einer annehmenden Haltung mir selbst gegenüber, kann ich lernen, einen bewussteren Umgang mit mir selbst herzustellen. Und mir das geben, was ich brauche.
Schreibe einen Kommentar