Bewerbungsprozesse werden durch die Coronakrise zunehmend digitalisiert. Jegliches Gesundheitsrisiko soll vermieden werden. Wer derzeit auf Jobsuche ist, weiß, dass noch mehr Ausdauer, Kraft sowie eine hohe Frustrationstoleranz benötigt wird. Sina erzählt im Gespräch mit f1rstlife, wie sie das Bewerbungsverfahren während der Coronazeit gemeistert hat.
Sina* (22 Jahre) hat ihr BWL-Studium im Sommer 2019 erfolgreich abgeschlossen. Danach absolvierte sie ein sechsmonatiges Praktikum in unterschiedlichen Abteilungen eines Lebensmittelunternehmens. Obwohl sie ihr Praktikum hätte verlängern können, entschied sie sich, einen neuen Job zu suchen – und das trotz Coronakrise. Wir haben sie gefragt, wie sie das Bewerbungsverfahren während der Coronazeit gemeistert hat.
Hallo Sina, ich freue mich, dass du dich bereit erklärt hast, mit uns über dein Bewerbungsverfahren während der Coronazeit zu sprechen. Du hast schon über 48 Bewerbungen in knapp drei Monaten für Praktika und Vollzeitstellen für die Personalabteilungen vieler verschiedener Unternehmen geschrieben. Bewerbungsverfahren sind auch ohne Corona schon kein Zuckerschlecken. Kannst du mir beschreiben, wie du deine Bewerbungsphase in der Coronazeit erlebt hast?
Es war nicht immer einfach. Ich musste ziemlich lange auf Antworten warten, da die Unternehmen viel Zeit benötigten, um alle Bewerbungsunterlagen zu sichten. Durch die Verzögerungen habe ich mir in der Zwischenzeit sehr viele Gedanken darüber gemacht, ob ich wirklich etwas finden werde. Meine Familie und meine Schwestern haben mir Halt gegeben und mich aufgemuntert, wenn es mir mal nicht gut ging. Es war natürlich eine ganz neue Erfahrung, den digitalen Bewerbungsprozess mit den Telefoninterviews und Videogesprächen zu erleben. Oft war das Gefühl der Unsicherheit da. In der Anfangszeit, also im Juni und Juli, waren die Vorstellungsgespräche digital. Später, als sich die Lage etwas beruhigt hatte, hatte ich zum Teil auch persönliche Gespräche vor Ort.
Vor welchen Herausforderungen standest du da speziell in der Coronazeit?
Ich hatte schon Angst, dass ich ohne Job da stehen würde. Ich war besorgt, dass Unternehmen keine Stellen mehr ausschreiben würden und ich somit keinen passenden Job für mich finden würde. Alle Unternehmen hatten schließlich auf unterschiedliche Art und Weise mit der Krise zu kämpfen. Schließlich waren einige von ihnen wirtschaftlich so angeschlagen, dass sie mit Einstellungsstopps auf die Corona-Pandemie reagierten.
Das digitalisierte Bewerbungsverfahren hat zwar schon seine Vorteile, zum Beispiel musste ich nie früh losfahren, um pünktlich zu Vorstellungsgesprächen zu kommen. Doch die digitalen Gespräche waren, nach meinem Empfinden, sehr unpersönlich. Es war fast schon irritierend über den Bildschirm mit einer fremden Person zu sprechen. Doch mit ein bisschen Übung habe ich mich auch an diese Situation gewöhnt. Einen Eindruck von dem jeweiligen Unternehmen konnte man durch die Kamera allerdings nicht wirklich gewinnen. Deshalb ist es so wichtig und berechtigt, Fragen zur Atmosphäre im Unternehmen zu stellen. In den Videokonferenzen musste ich darauf achtgeben, dass das Internet gut funktionierte und alle Mitbewohner informiert waren, damit mich während des Gesprächs niemand störte. Einige situative Faktoren sind aber nicht ganz beeinflussbar, so beispielsweise wann der Postbote klingelt.
Hast du ein Bewerbungsgespräch erlebt, das so ein richtiger Flop war?
Ja (lacht). Tatsächlich hatte ich eins, das wirklich nicht hätte schlimmer sein können. Es war ein persönliches Gespräch. Ich stand schon vor dem Unternehmensgebäude und wollte gerade meine Maske aufziehen. Da kam schon eine Dame und hielt mir Desinfektionsmittel und eine sterile Maske unter die Nase, ohne mich vorher richtig begrüßt zu haben. Ich lief ihr dann mit schnellen Schritten hinterher, bis ich auf meinem Platz saß. Im Gespräch wurden dann nur negative Aspekte der ausgeschriebenen Stelle hervorgehoben. Die Stelle sei sehr anstrengend und mit viel Arbeit verbunden. Es gäbe wohl nichts Positives zu sagen. Sonst kennt man das ja anders in Vorstellungsgesprächen. Meistens schwärmen die Personaler nur so vom Unternehmen.
Wie bist du bisher mit dem Arbeiten zu Hause zurechtgekommen? Und wirst du auch im Homeoffice arbeiten, wenn du Mitte Oktober deinen neuen Job in einer Personalabteilung eines großen Logistikunternehmens antrittst?
Die letzten Wochen im Praktikum durfte ich von Zuhause aus arbeiten. Zu Beginn hat sich in mir alles dagegen gesträubt. Mir ist bewusst, dass die Gesundheit aller Menschen vorgeht. Nur war ich mir total unsicher, ob mir das alles gelingen wird, wenn ich so alleine von Zuhause arbeite. Aber im Endeffekt hat alles so funktioniert, wie ich es auch von der Arbeit im Büro kannte. Es gab stärkere Interaktionen mit den Kollegen durch vermehrte Video – und Telefonkonferenzen. Und schließlich war ich doch ganz zufrieden mit den Erfahrungen im Homeoffice. Für das jetzige Praktikum werde ich im Unternehmen arbeiten. Jedoch steht mir die Option frei, ins Homeoffice zu gehen. Um mit meinen Aufgaben vertraut zu werden und die neuen Kollegen besser kennenzulernen, möchte ich erstmal im Unternehmen arbeiten. Ich kann jedem ans Herz legen, wenn es möglich ist, die Anfangszeit im neuen Job vor Ort zu verbringen.
Welche Tipps kannst du anderen Bewerber*innen für ihre Bewerbungen mit auf den Weg geben?
Das Wichtigste ist immer, dranzubleiben. Sie sollten weitermachen und nicht die Hoffnung und den Mut verlieren, nachdem sie Absagen erhalten haben. Gerade dann sollte einen der Ehrgeiz packen, um immer mehr Bewerbungen rauszuschicken. Ich bin mir sicher, dass irgendwo die richtige Stelle auf einen wartet. Auch finde ich es empfehlenswert, auf mehreren Bewerberportalen gleichzeitig aktiv zu sein und ständig zu suchen. So hat man einfach mehr Auswahl und die Wahrscheinlichkeit sollte folglich steigen, den passenden Job zu finden.
Ich freue mich für dich, dass du eine Praktikumstelle gefunden hast, die so gut zu dir passt. Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Ich bin überglücklich, dass ich meinen Vertrag vor Kurzem unterschrieben habe und so langsam steigt die Nervosität vor dem ersten Arbeitstag. Ich wünsche mir, dass alles gut verläuft, ich gut eingearbeitet und ins Team integriert werde. Mein Wunsch ist es, nach dem Praktikum übernommen zu werden und bald als eine erfolgreiche Personalerin im Leben zu stehen.
Danke, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast. Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg!
*Name von der Redaktion geändert
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