Hinter den Gittern des ehemaligen Stasi-Gefängnisses Berlin-Hohenschönhausens scheint die Vergangenheit zur greifbaren Realität zu werden. All die Geheimnisse, die die Stasi zu Zeiten des Nationalsozialismus zu verleugnen versuchte, werden den Besuchern hier offenbart. Referent Wolfgang Arndt, der zwischen 1980/81 selbst einmal in diesen Zellen gesessen hat, erklärt, dass das Stasi-Gefängnis auf alten Stadtplänen nur einen weißen Fleck darstellt. „Die Straßen endeten im Nirgendwo“, erinnert sich Arndt. Die Menschen der Umgebung rechneten mit dem Schlimmsten, hätten sie diesen Ort hinterfragt. „So konnte das Herz der Stasi unbewegt schlagen“, erzählt der Zeitzeuge bildlich.
Von Privatsphäre keine Spur
Das ursprüngliche Industriegebiet, das nach dem Befehl Stalins zu jenem Internierungslager umgebaut wurde, diente dazu, politisch und religiös verfolgte Menschen zu inhaftieren. „Menschen, die anders glaubten, träumten und hofften, mussten diesen Gang durch die Hölle in Kauf nehmen“, beschreibt Wolfgang Arndt. Zutreffender könnte man es wohl nicht ausdrücken. Das Leben in den Zellen spielte sich unter menschenunwürdigsten Bedingungen ab. In der Regel bestand die Ausstattung eines Zimmers einzig aus einem Kübel und einem „Holzbett“. Im besten Fall hatte die Zelle sogar ein vergittertes Fenster, sodass man noch zwischen Tag und Nacht unterscheiden konnte. Privatsphäre aber gab es nicht. All die Tränen, Beschimpfungen und Wutausbrüche der Gefangenen blieben der Stasi nicht verwehrt. Versteckte Kameras sorgten dafür, dass das gesamte Geschehen in den einzelnen Zellen aufgezeichnet wurde.
Endstation: Wasserfolter
Die letzte Hoffnung aber sei dem Einzelnen genommen wurden, sobald ein mehrtägiges Verhör vorgenommen wurde. Mehrtägig bedeutete ohne Pause. Während man im Schlaf aus den Gittern fliehen, sich in ein weit entferntes Paradies träumen konnte, schien man sich seinem Schicksal hierbei ausgesetzt. Wurde der Inhaftierte dann aber noch aufgrund verweigerter Aussagen in eine der Folterkammern verband, bedeutete dies die Endstation. „Die Menschen, die nach dieser Foltermethode noch überlebten, konnte man an einer Hand zählen“, so Besucherreferent Arndt. Bei der chinesischen Wasserfolter, die ursprünglich ausschließlich von den Russen angewandt wurde, wurde der Verurteilte unter kaltem Wasser gefesselt. Es dauerte nicht länger als drei Tage, bis das Opfer unter qualvollen Schmerzen starb.
„Freiheit und Demokratie sind keineswegs selbstverständlich“
Als seelische Zersetzungsmaßnahmen bezeichneten die Kommunisten ihre Handlungen gegenüber den Sträflingen. Wenn man selbst im sogenannten Tiger-Käfig, einer Freigangzelle, lediglich auf einen vergitterten Himmel blickte, so wurde einem spätestens hier die letzte Hoffnung auf Freiheit geraubt. „Freiheit und Demokratie sind keineswegs selbstverständlich!“, sagt der ehemalige Gefangene bestimmt. Er appelliert an die Besucher, um solche Werte zu kämpfen. Unzählige Menschen seien für jene Freiheit gestorben. Die heutige Generation sei in einer Demokratie aufgewachsen. Aus einer Demokratie aber könne blitzschnell eine Diktatur werden.„Und eine dritte Diktatur können wir uns nicht leisten“, so Arndt.
Ängste und Verzweiflung
„Wer nicht weinte, der war kein Mensch“, stellt er fest. Die vollkommene Einsamkeit in der Zelle schien einen nahezu zu zerreißen. Hinzu kamen die Ungewissheit vor der Zukunft sowie die Angst um die eigene Familie. In all den Nächten wurden die Verfolgten sicherlich von diesen oder ähnlichen Gedanken gequält. Allerdings nur so lange, bis die Alarmsignale im Flur eingeschaltet wurden. Lichter, die heller zu sein schienen als jegliche Sonnenstrahlen, erleuchteten die einzelnen Zimmer. Die Kommunisten kontrollierten, ob die Gefangenen sich vorschriftsmäßig in der Zelle aufhielten.
Ist die Vergangenheit schon längst abgeschlossen?
Heutzutage ist das ehemalige Stasi-Gefängnis eine Gedenkstätte, die an die früheren Zeiten erinnern soll. Doch wenn Besucherreferent Wolfgang Arndt so anschaulich von den vorgefallenen Ereignissen erzählt, dann lässt er das Vergangene noch einmal lebendig werden. Draußen im alltäglichen Leben wirkt all das zuvor Erlebte unwirklich. Die vielen Autos ziehen weiter durch den Verkehr, die Geschäfte laufen auf Hochtouren und die Vögel zwitschern ihre schönsten Lieder, so als wäre nie etwas gewesen. Dass die Vergangenheit aber noch immer nicht abgeschlossen ist, zeigen die nächtlichen Träume des Referenten. „Jede Nacht wache ich 3 – 4 Mal auf und höre noch immer die Alarmsignale der Stasi.“
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