Eine Verschärfung des Polizeigesetzes, ein neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz und die Anordnung, Kruzifixe in allen bayrischen Behörden anzubringen: Die bayrische Regierung macht seit Wochen mit fragwürdigen Vorhaben Schlagzeilen. Sie polarisiert damit die ganze Bundesrepublik. Ein Kommentar.
Polizeigesetz: Sicherheitssteigerung oder Überwachungswahn?
Mitte Mai soll ein neues Polizeigesetz verabschiedet werden, das den Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus noch effektiver gestalten soll. Das Gesetz würde die Eingriffs- und Kontrollbefugnis der Polizei massiv ausweiten und damit tiefer in die Grundrechte und Privatsphäre der Menschen eingreifen. Die Polizei könnte beispielsweise ohne konkreten Verdacht Personendurchsuchungen durchführen, Telefone abhören oder Computer- und Onlinedaten auslesen. Darüber hinaus könnte sie diese Daten an Nachrichtendienste weitergeben. Zudem dürfte die Polizei DNA-Spuren nutzen, um damit Personen zu fahnden. Die einzige Prämisse, die solche Maßnahmen ermöglichen soll, ist die einer „drohenden Gefahr“. Außerdem dürften Polizist/innen Handgranaten mit sich führen und diese auch einsetzen.
Die Änderungen sollen der Polizei ermöglichen, bereits eingreifen zu können, bevor eine Straftat begangen wird. Soweit so gut. Jedoch gefährdet diese massive Ausweitung von Polizeibefugnissen die Freiheitsrechte von Bürger/innen und das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst. Die Polizei kann bereits an deklarierten Kriminalitätsschwerpunkten ohne Tatverdacht Personenkontrollen durchführen. Die Gesetzesnovellierung würde dies dann auf jeglichen öffentlichen Ort ausweiten. Dies verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und stellt jede/n Bürger/in unter Generalverdacht. Was eine besagte „drohende Gefahr“ genau bedeuten soll, bleibt unklar und kann daher relativ einfach missbräuchlich eingesetzt werden.
Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz: Schutz für oder vor Psychisch-Kranke/n?
Der Name klang vielversprechend, das Gesetz soll psychisch Kranken mehr Schutz und Hilfe zusprechen, indem es ihnen Rechtssicherheit und mehr Transparenz bietet. Die Mittel dafür sind jedoch äußerst fragwürdig. So wurde im ersten Gesetzesentwurf vorgeschlagen, die Daten einer per Gerichtsbeschluss eingewiesenen psychisch kranken Person in eine Klinik in einer sogenannten „Unterbringungsdatei“ in staatlichen Registern zu erfassen und für mindestens fünf Jahre zu speichern. Diese Behandlung kann zu einer stärkeren Kontrolle und Stigmatisierung psychisch kranker Personen führen, wenn solch sensible Daten für Behörden wie Verwaltung, Sicherheit oder Justiz einsehbar sind.
Kritisch ist, dass die Speicherung der Daten mit „Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit“ begründet werden. Jedoch betrifft dies explizit nicht straffällig gewordene Personen, sondern auch Menschen, die beispielsweise wegen ihrer Krankheit eine Gefahr für sich selbst darstellen und deshalb auf Wunsch der Angehörigen bei Gerichtsantrag in einer Klinik untergebracht werden. Nach starker Empörung und heftiger Kritik seitens Fachleuten, Betroffenenverbänden und Datenschützer/innen hat die CSU nun eine Revision des Entwurfs angekündigt, die einen Verzicht auf die Unterbringungsdatei verspricht.
Kreuz-Befehl: Identität oder Instrumentalisierung?
Das bayrische Landeskabinett hat beschlossen, dass zum 1. Juni 2018 in allen bayrischen Staatsbehörden Kreuze in den Eingangsbereichen angebracht sein müssen. Bisher war dies eine freiwillige Entscheidung der Behörden, die schon von vielen genutzt wird. In bayrischen Schulen und Gerichtssälen sind Kreuze schon seit längerer Zeit vorgeschrieben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begründet die neue Vorschrift damit, dass das Kreuz „das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländlicher Prägung“ darstelle. Somit sei die Anbringung eines Kreuzes ein „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und in Deutschland.“
Doch das Kreuz ist nicht einfach nur ein „heimatlicher Wandschmuck“, wie es Heribert Prantl ausdrückt. Es ist das zentrale religiöse Symbol des Christentums. In einem Land wie Deutschland, in dem per Grundgesetz Kirche und Staat voneinander getrennt sind, ist Religionszugehörigkeit Privatangelegenheit. Die Kreuzesvorschrift ist somit kein Bekenntnis zur bayrischen Identität oder der kulturellen Prägung des Freistaats, sondern missbraucht dieses religiöse Symbol und instrumentalisiert es für politische Zwecke. Eine Trennung von Kirche und Staat wird aufgehoben im Sinne einer Privilegierung von Christ/innen. Dies führt zu Exklusion anders- oder nichtglaubender Menschen in Zeiten einer ohnehin schon schwierigen Situation, was dieToleranz gegenüber verschiedenen Religionen angeht. Die Anordnung ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die mit viel Mühe und Kraft versuchen Integration und ein Miteinander verschiedener Religion zu ermöglichen.
Es lässt sich kaum bestreiten, dass diese Maßnahme nicht zufällig nur kurze Zeit nach Horst Seehofers provokanten Aussage erfolgt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die Vorschrift ist eine Maßnahme, die vor dem Hintergrund der bundesweiten Bemühungen um Gespräche über das Zusammenleben von Menschen verschiedener kultureller und religiöser Prägungen politisch völlig unverantwortlich ist. Die CSU will damit jedoch scheinbar ein Zeichen setzen und ihre Stärke beweisen, indem sie symbolisch Ordnung und Struktur in ihre Heimat bringt. Muslime beispielsweise, die oft pauschal als Gefährder dargestellt werden, werden sich möglicherweise von dieser Anordnung ausgegrenzt fühlen. Dieses öffentliche Bekenntnis zu einer bestimmten Religion und deren Werten und der Ausgrenzung anderer, wird womöglich allein denen ein Gefühl von Sicherheit geben, die sich in ihrer Identität bedroht fühlen.
Der Kern all dieser Vorhaben seitens der CSU scheint offensichtlich „Sicherheit“ zu sein, ein Begriff der zielstrebig als Allzweckwaffe eingesetzt wird. Für alle drei Maßnahmen hat die Partei bereits reichlich Kritik erhalten und musste bereits, wie beispielsweise beim Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, Änderungen vornehmen. Dennoch hat die CSU, wenn es um die Verabschiedung neuer Gesetze geht, relativ freie Hand, da sie eine starke Mehrheit im bayrischen Landtag darstellt. Die Vorhaben spiegeln aber auch eine gesellschaftliche Entwicklung wider, die seit einigen Jahren eine rechte, konservative Tendenz in der Politik zeigt. Dem Bedürfnis der Menschen nach mehr Sicherheit sollte jedoch anders entgegengekommen werden als mit erhöhter staatlicher Überwachung, Kontrolle und Ausgrenzung.
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