Links und rechts, vor und hinter mir – Bücher, wohin das Auge reicht. Ein Paradies für jeden Bücherwurm und selbst der höchst geschäftige Businessman kommt auf seine Kosten, wenn er sich auf dem Weg zum nächsten Termin schnell eine Zeitung kaufen möchte. Neben riesigen Atlanten und eBooks werden lustige Fotoklammern und Müslischalen verkauft, die meist recht teuer sind, dafür aber in ultimativer Kombination mit der neusten Neuerscheinung der xten Fortsetzung bekannter Fantasyromane verschenkt werden können. Cornflakes aus Hasenschale und Vampirromanze – passt doch perfekt!
Ich hatte kein bestimmtes Buch im Blick, wollte einfach schmökern und mich überraschen lassen. Aber was ist der Unterschied zwischen überrascht und schlicht erschlagen werden vom Über-Angebot an Büchern desselben Genres? Da schreibt beispielsweise ein Lehrersohn über seine leidvollen Erfahrungen als… Lehrersohn eben, eine Arzt-Lehrer-Tochter über die Pein, eine Arzt-Lehrer-Tochter zu sein und eine bekannte Fernsehmoderatorin veröffentlicht ein Buch zum Thema Alltag mit (haarigem) Hund. Eine weitere schreibt mehr oder weniger autobiographisch zum Thema Scheitern mit Anfang 30 und bekommt unmittelbare Konkurrenz von einem ehemals Obdachlosen aus London, der durch seinen Kater wieder zurück ins geregelte Leben gefunden hat.
Wahrheitsgehalt nicht ganz 100-prozentig?!
Versteht mich nicht falsch – es handelt sich bei all diesen Büchern sicherlich um lesenswerte Exemplare und ich habe selbst etliche dieser humoristischen Werke aus dem Bereich der Medizin in meinem Regal stehen. Da plaudern zum Beispiel zwei Assistenzärzte, jeder in seinem eigenen Taschenbuch natürlich, aus dem Nähkästchen, was die Arbeit im Krankenhaus angeht. Sie berichten von verrückten Patienten, cholerischen und teils verpeilten Kollegen; außerdem geht es um Romanzen mit diversen Krankenschwestern. In einem weiteren Sachbuch gibt eine schwangere Frauenärztin-bereits-einmal-Mutter-und-Lieblingskollegin-des-Chefarztes Auskunft über das Leben zwischen dem eigenen Haushalt und Kreißsaal. Höchst spannend und amüsant zu lesen, wenn man im gesundheitlichen Sektor aktiv werden will, oder auch nicht. Besonders in der Medizin gibt es unheimlich viele Veröffentlichungen, in denen das Personal, ob direkt aus Notfallwagen oder dem OP, erste-Hand-Informationen an die Leserschaft weitergibt. Oftmals werden die Geschichten allerdings so unterhaltsam geschrieben, dass eine Verzerrung der Realität entsteht, über die sich mancher Leser evtl. gar nicht bewusst ist.
Eigentlich hätte mich das Angebot an einer doch recht ähnlichen Art von Sachbüchern in den Erdgeschossregalen solcher Großbuchhandlungen nicht überraschen müssen. Schließlich ist es doch kein anderer, als der momentan vorherrschende Zeitgeist, sich immer und überall mitteilen und am (Privat-)Leben der anderen teilhaben zu wollen – und dies geschieht ganz unabhängig von der Art der Information, die bereitgestellt wird. Da wird fröhlich über Schlussmachen per SMS, Babyerbrochenes, die unerträglich hässliche Katze des Nachbarn geschrieben und darüber, wie Frau ihr Studium anhand von Prostitution finanziert hat – das Ganze nicht bloß einmal, sondern in mehrfacher Ausführung und auf Papier gebracht von Normalo bis berühmtem Comedian.
Das lukrative Geschäft mit den Alltagsproblemen
Es ist ein Verkaufszweig entstanden, den es so noch vor einigen Jahren gar nicht gab. Die Gründe könnten vielseitig sein, schließlich muss in Betracht gezogen werden, dass wir eine mediale Revolution hinter uns haben. Das Internet hat Tür und Tor für Informations- und Datenbeschaffung unterschiedlichster Bandbreite geöffnet. Heutzutage ist jederzeit abrufbar, wofür sich die Menschen interessieren und was sie bewegt. Eine globale Medien-Community ist geboren worden, die sich in Teilen wie eine riesengroße Familie versteht, in der sich jeder hilft und keine Frage zu dumm zum Stellen ist. Dies hat viele Vorteile und vielleicht ist einer von ihnen, dass man dieser Tage eher bereit ist, offener zu seinen Schwächen und Wissenslücken zu stehen. Dies hat den Markt für Sachbücher geschaffen, die nicht offensiv belehrend sein, sondern auf unterhaltsame Weise anregend und als indirekte Lebenshilfe verstanden werden wollen.
In oftmals neonfarbenen Einbänden erzählen diese Bücher authentisch aus dem Leben. Sie berichten von Schmerz und schwierigen Momenten, genauso wie vom puren Glück und dem Löffeln aus einem Schokocremeglas. Sie enden meist mit positivem Fazit, sodass der Leser gar nicht anders kann, als das Buch zu schließen und den Tag als ein wenig besser zu empfinden. Das ist Wohlfühlliteratur, die oft nicht besonders anspruchsvoll verfasst ist, was aber sicherlich auch nicht den Sinn und Zweck der Sache darstellt. Manchmal etwas seicht, oftmals klug aus den Köpfen dieser bodenständigen Menschen heraus, die nicht so abstrakt zu sein scheinen wie manch hochgestochen schreibender Autor mit Loft in New York. Literatur vom Volk für das Volk, welches offensichtlich großen Gefallen an dieser Form der (Lebens-)Hilfe gefunden hat. Erstaunlich, welche Parallelen an dieser Stelle zu unseren PolitikerInnen gezogen werden können, die sich, was den unterstützenden Gedanken angeht, doch eigentlich in einer den Autoren ähnlichen Rolle befinden sollten. Mal abgesehen vom öffentlichen Schwadronieren über Babys ersten Stuhlgang vielleicht.
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