„Mir ist alles zu viel!“, „Ich werfe jetzt alles hin!“ oder „Ich komme schon klar!“ – Sätze, die ich von Menschen mit Burn-Out Erfahrungen vernommen habe. Was steckt hinter dieser qualvollen Leidspirale, wie kann man gegensteuern und welche möglichen Auswege gibt es?
Dieser Artikel handelt von seelischem Leiden. Er spiegelt größtenteils persönliche Erfahrungen wider und ersetzt keine ärztliche Konsultation. Am Ende des Artikels findet du mögliche Anlaufstellen, wenn du Hilfe suchst.
Gesichter eines Burn-Outs
„Endlich das Abitur in der Tasche, gerade so geschafft“, lachte Lara erleichtert. Sie hatte sich ihre Noten hart erkämpft und freute sich auf einen Studienplatz. Mit Abitur musste man studieren, so viel war für sie klar. Mit Verlauf des Studiums wurde ihr aber bewusst, dass sie überfordert war. Doch sie fand keine Alternative: Sie wollte ihre Eltern nicht enttäuschen, eine Ausbildung war ihr zu wenig und ein anderer Studienplatz nicht in Aussicht. So strengte sie sich mehr an, isolierte sich von ihren Freunden, um mehr Zeit zum Lernen zu haben und bemerkte nicht, wie schlecht es mittlerweile um sie körperlich und seelisch stand.
„Wow, endlich studieren“, jubelte Alex. Er konnte sich stundenlang in Themen reinhängen und darüber sinnieren, ohne ein Ende zu finden. Mit der Zeit bemerkte er, keine Ruhe mehr zu finden, Schlafstörungen setzten ein und er befand sich in einem unerklärlichen Erschöpfungszustand.
„Ich könnte schreien, wenn ich nur meinen Terminkalender anschaue“, berichtete Marissa verzweifelt. Sie konnte ihr Studium mit Erfolg abschließen und suchte sehr engagiert nach einer Arbeitsstelle. Einfach war das nicht, immerhin brachte sie noch wenig Arbeitserfahrung mit. Vorbeugend versuchte sie deshalb, in jeder freien Zeitlücke Praktikumsstellen zu absolvieren.
„Ich weiß gar nicht, was mit mir auf einmal los ist.“ Eigentlich hatte Nala ihr Leben bis dahin gut gemeistert, dachte sie zumindest. Andere Menschen gingen ihr schnell auf die Nerven, sie wirkte zerstreut und obwohl sie anfangs sehr gutes Feedback von ihrem Arbeitgeber bekam, wurde sie zunehmend auf Fehler hingewiesen. Sie musste dieses Arbeitsumfeld verlassen, so schnell wie möglich, nahm sie sich vor.
Der entscheidende Tropfen
„Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen. (Epiktet)“ Dieses Zitat trifft auf die zuvor beschriebenen Lebensbeispiele zu. Manchmal bringen wir eine erhöhte Verletzlichkeit und Risikofaktoren mit, um ein Burn-Out-Syndrom zu entwickeln. Das können unter anderem instabile, soziale Bindungen sein, eine starke Leistungsausprägung, ein negatives Selbstbild, unzureichende Ressourcen jeglicher Art, traumatische Erfahrungen oder vorliegende Erkrankungen.
Wie wir mit Stress umgehen, lernen wir bereits in der Kindheit mit unseren Bindungspersonen. So treffen verschiedene Faktoren und Systeme aufeinander und begünstigen einen Zustand, der sich wie „ein ausgebrannt-sein“ anfühlt. Heutzutage werden wir mit Mobbing jeglicher Art konfrontiert, mit Druck und einem hohen Stresslevel in sozialen Medien. Auch kann der Umgang mit einer Vielzahl an Möglichkeiten einer Überforderung oder Orientierungslosigkeit gleichen. Schließlich läuft das Fass über, wenn sich der letzte, entscheidende Tropfen entlädt.
Von 180 auf Null
Für manche Menschen fühlt sich eine Burn-Out-Erfahrung wie ein zweites, separates Leben an: eventuell waren sie davor energiegeladen; mit hohen Idealen, die Welt um sich herum zu verändern; tatkräftig, überall hilfsbereit, bekannt, angesehen oder sehr erfolgreich.
Und plötzlich mussten sie sich eingestehen: „Jetzt sieht mein Leben anders aus!“ Meistens ist es aber eher eine schleichende Entwicklung. So werden die Früchte von bisherigen Verhaltensmustern und unbewussten, inneren Überzeugungen sichtbar. Nicht selten sind es ungelöste Konflikte, die uns Energie rauben und uns in eine Handlungsunfähigkeit treiben.
Und jetzt?!
Sich allein aus dem Burn-Out-Sumpf zu ziehen, ist schwierig. Es braucht ein passendes Zusammenspiel aus Gesprächen, neuen Erfahrungen und die Zeit, genesen zu dürfen. Meist ist ein Verstehen der eigenen Lerngeschichte wichtig: Welche Prägung habe ich erfahren? Welche Überzeugungen schlummern in mir? Warum verhalte ich mich so? Welche Muster erkenne ich? Welche Gefühle drücke ich seit Jahren weg?
Das Tückische an einer Burn-Out-Erfahrung ist, dass man sehr schnell aus diesem unaushaltbaren Zustand herauskommen will und man eventuell sehr viel Kraft reinsteckt, gegen die Situation anzukämpfen. „Geht es dir jetzt besser? Arbeitest du endlich wieder? Was ist denn mit dir los?“ Diese Kommentare aus dem Umfeld befeuern oft noch zusätzlich den inneren Stress.
Die inneren Gespräche beleuchten
„Ich mache alles falsch. Ich bin schuld daran, dass es mir so geht. Ich bin eine Zumutung für mein Umfeld. Ich bin ein Taugenichts.“ Ein Burn-Out lebt von Schuldzuweisungen, von stundenlangem Grübeln, vom Funktionieren, vom Gefühle wegdrücken und von Minderwertigkeit. An dieser Stelle kann es hilfreich sein, die wiederkehrenden Gedanken aufzuschreiben und sie zu reflektieren. Das alte Gedankengut gründlich auszumisten, könnte die Last auf den Schultern erleichtern.
Einen liebevollen Blick für sich selbst entwickeln
Viele Menschen mit einer Burn-Out-Erfahrung haben keine bedingungslose Liebe erfahren. Oft sind ihnen die Antreiber für ihr eigenes Handeln nicht bewusst. „Ich muss jemandem helfen, um Anerkennung zu bekommen“, „Ich darf die Kontrolle über mein Leben nicht verlieren“, „Ich bin nicht liebenswert“, „Ich muss immer alles allein bewältigen.“, „Ich muss für andere da sein.“ – All diese Überzeugungen hindern uns daran, in ein bedingungsfreies „Da-Sein“ zu gelangen. Oft sind eigene Bedürfnisse wie abgespalten und die innere Balance längst in einer Schieflage. Von der anderen Seite vom Pferd kann man aber auch fallen, wenn man sich nur um sich selbst dreht und keine Empathie für andere findet.
Den eigenen „Da-Seins“- Ort kennen lernen
Es gibt einen inneren Ort, an dem ich mit all meinen Bedürfnissen sein darf. In Würde, in Anerkennung, in Liebe, in Offenheit und Ehrlichkeit. Es ist ein heiliger, besonderer Ort in meinem Inneren. Diesen Ort darf ich selbst bebauen, bewahren und pflegen. Ich bin dafür verantwortlich, seine Grenzen zu schützen und mit der Außenwelt zu kommunizieren, was für mich in Ordnung ist und was nicht.
Menschen mit Burn-Out-Erfahrungen haben oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie das Wort „Nein“ aussprechen. Sie fürchten schlimme Konsequenzen, wie einen sozialen Ausschluss oder nicht mehr geliebt zu werden. Sich abgrenzen zu lernen ist ein Baustein, die Burn-Out Spirale zu unterbrechen.
Stopp-Schild aufstellen
Öfters geben uns körperliche Reaktionen Signale, wenn eine Grenze überschritten wird: Herzklopfen, steigender Puls, gerötete Wangen, Unruhe, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, vermehrter Schweiß etc. Wenn wir ehrlich mit uns und unserem Umfeld wären, müssten wir die Grenzüberschreitung kommunizieren. Das überfordert uns aber schnell und wir antworten zum Beispiel: „Ja, gut, dann mache ich diese Arbeit auch noch!“
Eine andere Verhaltensweise könnte sein, ein inneres und ein äußeres Stopp-Schild einzulegen. „Moment mal, ich merke gerade, dass ich keine zusätzlichen Kapazitäten für diese Arbeit habe! Welche Arbeit hat im Moment die höchste Priorität?“ An dieser Stelle könnte das Katastrophendenken einsetzen: „Wenn ich diese Arbeit nicht mache, dann könnte ich meine Arbeitsstelle verlieren, also mache ich lieber das, was von mir verlangt wird.“
Gelassenheit trainieren
Katastrophendenken führt oft in eine Abwärtsspirale, die in einer Hoffnungslosigkeit mündet. So sollten Entspannungs- und Atemübungen wirklich trainiert werden, um sie in Stresssituationen abrufen zu können. Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, nicht sofort in eine Bewertungshaltung zu fallen. So können wir in Anspannungssituationen lernen, auf einen Reiz nicht unverzüglich mit einer Reaktion zu antworten. Eine innere und oft äußerliche Distanz zu einem Problem können dienlich und begünstigend sein.
Innere Ressourcen festigen
Jeder Mensch hat Begabungen mit ins Leben bekommen. Kraftquellen, die das Leben bereichern und erleichtern. In einem Erschöpfungszustand gähnt man vielleicht: „Ich bin so ausgebrannt, ich kann gar nichts mehr!“ Vielleicht reicht es manchmal, an schöne Momente zu denken, sich zu erinnern, was man schon alles geschafft hat und was alles bisher gut war. Dankbarkeit ist wie ein sich öffnendes Tor in eine andere Welt. Sie macht das Herz wieder weit.
Einen Fokus suchen
Je fokussierter wir sind, desto zufriedener sind wir. Was lässt uns so richtig in etwas eintauchen? Wann vergessen wir Zeit und Raum? Es ist sinnvoll, für Krisen ein Management im Voraus zu erarbeiten. Was hat sich bisher bewährt? Mein persönliches Krisenmanagement besteht aus verschiedenen Sinneseindrücken wie mechanischen und thermischen Reizen (z. B. Igelbälle, Akupressurmatten, Kühlpads etc.) und Ausdrucksmöglichkeiten, wie musizieren, tanzen und einem Wutkissen. Es ist auch sehr gewinnbringend, sich im Vorfeld Kontakte zu notieren, die man im Notfall kontaktieren darf.
Sich selbst kennenlernen
Eine Burn-Out-Erfahrung ist eine Einladung, sich selbst besser kennenzulernen. Manche Blicke in den Spiegel tun schrecklich weh. Enttäuschungen schmerzen und manchmal scheint es einfacher, dem Leben zu entfliehen. So betäuben wir uns mit überhöhtem Arbeitspensum, mit gewissen Substanzen, mit vielem Essen oder mit Diäten. Selbstbestrafungen runden die Betäubungsspirale ab und die Probleme haben sich leider währenddessen nicht aufgelöst.
Schwachstellen akzeptieren
Alles, was uns weh tut und stört, wollen wir so schnell wie möglich wegstoßen. Nur bemerken wir, dass uns ungelöste Probleme immer wieder einholen. Bildlich gesprochen schütten wir sehr motiviert Wasser in ein Fass, damit es voll wird. Frustriert wundern wir uns darüber, warum es sich, obwohl wir uns so sehr anstrengen, nicht füllt.
Die Erkenntnis liegt auf dem Grund der Tatsachen: Es gibt einige Löcher im Fass. In einer Burn-Out-Spirale werden wir nicht müde, neues Wasser ins Fass zu kippen, wenn wir nicht akzeptieren, dass es grundlegende Löcher im Fass gibt. Um diese Löcher und entsprechende Reparaturmöglichkeiten zu entdecken, braucht es oft externe Hilfe.
Anlaufstellen aufsuchen
Von ärztlicher Seite gesehen, ist der Hausarzt eine Anlaufstelle, ebenso wie Psychotherapeuten. Auch kann um eine stationäre oder ambulante Rehabilitationsmaßnahme gebeten werden. Es gibt Beratungsstellen, Angebote in Universitäten und niederschwellige, ortsabhängige Angebote (z. B. auch Entspannungskurse von Krankenkassen). Selbsthilfegruppen mit Austauschmöglichkeiten runden das Hilfsangebot ab.
Mögliche Links
Home – Selbsthilfe Burnout und Depression (selbsthilfe-burnout-und-depression.de)
Angebote – Bundesverband Burnout und Depression e.V. (bbud.info)
Burn-Out-Brücke | Beratung in Krisen (burn-out-bruecke.de)
krisenchat | 24/7 Krisenberatung per Chat
Kostenlose Online-Beratung für Jugendliche in Not – JugendNotmail
Willkommen bei der bke-Jugendberatung! | bke Onlineberatung (bke-beratung.de)
B2 Onlineberatung (b2-onlineberatung.de)
Hilfe bei Cybermobbing & anderen Online-Problemen (juuuport.de)
[U25] Mailberatung und Hilfe für Jugendliche mit Suizidgedanken (u25-deutschland.de)
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