Es gehört zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Jordaniens: das Wüstental Wadi Rum. Durch dessen Mars-ähnliches Aussehen diente die Wüste schon oft als Kulisse für Filme wie „Star Wars“, „Der Marsianer“ oder dem neulich erschienenen Hollywood-Blockbuster „Dune“. Es fühlt sich an wie eine andere Welt, wo nur das Hier und Jetzt zählt. Wie Entschleunigung und Aufregung in der Wüste zusammenpassen, erfahrt ihr hier.
Regen in der Wüste?
Mit dem Wort „Wüste“ verbinden wohl die meisten vor allem eines: glühende Hitze mit durchgehend Sonne. Regen oder gar Gewitter? Pfff, wie oft soll das in der Wüste schon vorkommen? Denke ich mir, und werde bei meinem Trip zum jordanischen Wüstental „Wadi Rum“ überrascht: Schon bei der Autofahrt prasseln die ersten Regentropfen auf die Autoscheibe. Am Horizont schlagen grelle Blitze ein, der Donner lässt noch auf sich warten. Die Palmen werden vom Wind so stark gebogen, dass ihre Kronen fast den Boden berühren.
Der Regen wird mit zunehmender Stunde immer heftiger und der Sturm wirbelt den umliegenden Sand so stark auf, dass wir nur noch etwa zwei Meter vor uns sehen können. Plötzlich rumpelt es und wir werden im Auto hochgeschleudert: Nicht mal mehr die Fahrbahnschwellen sind für uns sichtbar. Doch trotz allem kommen meine Freunde und ich abends gut im Camp an. Es herrscht gedrückte Stimmung: Regen und Gewitter in der Wüste? Wie wahrscheinlich ist das schon?!
Ein Wochenende in der Wüste
Der nächste Tag beginnt bewölkt. Traditionell essen wir arabisches Brot und Hummus mit Taboulé (arabisches Salatgericht) und trinken natürlich Schwarztee zum Frühstück. Besseres arabisches Essen als bei den Beduinen, also den Wüstenbewohnern, bekommt man wohl nirgendwo anders. In Wadi Rum leben noch einige hunderte Beduinen, meist in Zelten oder gemauerten Häusern. Sie sind Selbstversorger und leben klassischerweise von Viehzucht und stellen ihre eigenen Milchprodukte her. Bescheidenheit und Gastfreundschaft gehören zu den wichtigsten Werten der Nomaden: Deswegen sollte man dort niemals einen Tee ablehnen.
Die Wüste in Jordanien ist wahrlich wie eine andere Welt: Es herrscht eine unglaubliche Stille – ein starker Kontrast zur turbulenten Hauptstadt. Einzig und allein hört man mal das Kreischen der im Kreis fliegenden Vögel. Diese Ruhe wirkt auch stark auf einen selbst ein: Selten habe ich mich so verbunden mit der Natur und der Gegenwart gefühlt wie dort. Die Weiten der roten Wüstenlandschaft und die hundertmeterhohen Granitfelsen lassen einen die eigene Rolle in dieser großen und doch so kleinen Welt hinterfragen. In der Wüste vergisst man die Vergangenheit und Zukunft. Es zählt nur das Hier und Jetzt. Dieses Gefühl der Gegenwärtigkeit wird immer seltener in unserer schnellen, globalisierten Welt.
Wandern im Gewitter
Wanderlustig wie wir sind, brechen wir auf, um auf einen naheliegenden Felsen zu klettern. Der Weg auf den Felsen ist nicht ganz ungefährlich. Direkt am Abgrund entlang, muss man einiges Geschick und Kraft beweisen, um den ca. 120 Meter hohen Felsen zu erklimmen. Der wehende Wind macht es uns nicht gerade leichter. Doch nach etwa einer halben Stunde haben wir es geschafft: Wir sind oben auf dem Felsen angekommen, genießen einen unglaublichen Ausblick über das Tal und die Granitschlucht neben uns. Das rote Gestein wirkt durch seine Wölbungen schon fast plastisch und erinnert mich an Bilder vom Grand Canyon.
Der Weg war anstrengend. Wir wollen uns kurz ausruhen und das Internet oben auf dem Berg ausnutzen, denn im Tal gibt es kein Netz. Doch dann zieht sich auf einmal der Himmel zusammen und der erste Blitz am Horizont schlägt ein. Ein gewaltiges Bild. Ein grollender Donner beginnt und uns wird unheimlich – vielleicht keine so gute Idee, auf einem Felsen zu sein, während es gewittert? Wir klettern schnell herunter und rennen die langen Dünen hinunter – nie war ich dem Gefühl vom Fliegen so nahe.
Beduinen und die Sterne
Weiter geht es mit einer Jeep-Tour. Ansässige Beduinen fahren uns durch die Wüstenlandschaft. Die Felsbrocken sehen für mich alle gleich aus. Ich frage mich, wie es die Beduinen schaffen, sich hier zu orientieren. Doch die Beduinen sind in der Wüste aufgewachsen und kennen sie in- und auswendig. Die Felsen tragen alle einen eigenen Namen, die unter den Wüstenbewohnern bekannt sind. Mithilfe der Felsennamen und der Himmelrichtung geben sie quasi Adressen an. Das erklärt uns Ahmed – er ist der Inhaber unseres Camps und in der Wüste großgeworden. Nachts zeigt er uns mithilfe eines grünen Laserpointers die Sternenbilder und klärt uns über verbreitete Mythen auf.
Beispielsweise, wie man den Polarstern ausmachen kann (und nein, es ist nicht der hellste Stern am Himmel!) und wie sich das Sternenbild über die Tage, Monate und Jahre verändert. Das Wissen über den Sternenhimmel wird von Generation zu Generation weitergetragen. Seine Großmutter, die nie in ihrem Leben ein Buch gelesen hat, geschweige denn lesen kann, hat ihn alles über die Sterne beigebracht. Fasziniert schaue ich mir den leuchtenden Sternenhimmel an und verrenke dabei unnatürlich meinen Nacken. Ich sehe erst eine, dann zwei und letztlich drei Sternschnuppen am Himmel.
„Du fühlst dich verbunden mit den Sternen und vertraust vollkommen auf die Natur. Für uns Beduinen sind die Sterne sehr wichtig.“, sagt uns Ahmed. Der Himmel in der Wüste ist so klar, dass man sogar die Milchstraße sehen kann. Ein wirklich mystischer Anblick. Durch tägliches Studieren der Sternenbilder weiß Ahmed immer die genaue Uhrzeit, den Monat und die Himmelsrichtungen. „Du bist der König deines Reviers“, sagt uns Ahmed mit funkelnden Augen. Doch durch den Anstieg des Tourismus nimmt auch die Luftverschmutzung zu und der Sternenhimmel wird unklarer. Ein Gast fragt Ahmed, ob gegen die Luftverschmutzung Regeln aufgestellt wurden? „Ich glaube nicht, dass es in der Wüste überhaupt irgendwelche Regeln gibt“, antwortet er schmunzelnd.
Abenteuerliche Wanderungen
Am nächsten Tag geht es für uns mit dem Jeep zur saudischen Grenze. Der kühle Fahrtwind lässt uns in der noch so heißen Wüste zittern. An genügsamen Dromedaren vorbei, fünf Kilometer nahe der saudischen Grenze, besteigen wir einen der höchsten Berge von Wadi Rum. Die Aussicht ist spektakulär. Man sieht sogar ein enges Flussbett, welches sich durch die Wüstenlandschaft zieht und wohl den Tag zuvor mit Regenwasser gefüllt war. Übermütig wollen wir immer weiter nach oben klettern – ohne unseren Tourguide – einen unscheinbaren Felsen hinauf. Dieser entpuppt sich zum Hochklettern viel härter als gedacht.
Aber hängt man bereits an der Felswand, gibt es kein Zurück mehr. Ohne hinunterzuschauen, kraxle ich höher und höher. Ich bin aus der Puste und oben angelangt, kann ich endlich verschnaufen. Angelehnt an einen Stein, drehe ich mich um, um die Aussicht zu genießen. Da wird mir schlagartig klar: Hinter dem Stein, an den ich mich ahnungslos angelehnt habe, ist der direkte Abgrund. 1825 Meter, um genau zu sein. Setzte ich hier einen falschen Fuß, ist es schnell vorbei. Mit leichter Panik und zunehmendem Herzrasen finden wir schnell einen sicheren Weg hinunter. Das Klettern in Wadi Rum ist sicherlich genau das Richtige für Abenteuerlustige!
Unvergesslicher Augenblick
Es ist 5:30 Uhr und wir stehen eingekuschelt in mehreren Kleidungsschichten auf. Es ist stockdunkel in der Wüste und wir wollen in der noch so finsteren Nacht wieder unseren naheliegenden Berg besteigen. Wir brauchen nicht als zu lange. Den Weg kennen wir ja bereits. 6:45 Uhr ist Sonnenaufgang und mit unseren müden Augen sehen wir langsam die rotleuchtende Sonne über einen weitentfernten Berg emporsteigen.
Der Himmel scheint wie ein frühromantisches Gemälde, ein Farbspiel aus rosa und lila. Über der leuchtenden Sonne scheint noch der weiße Mond als Sichel. Im Hintergrund singen ein paar Vögel. Ansonsten ist es so ruhig, dass man seinen eigenen Herzschlag hören kann. Auf dem Berg weht eine leichte Brise. Die Morgensonne scheint auf unsere schläfrigen Gesichter. Es gibt kein gestern und kein morgen, nur das Jetzt. Nie fühlte ich mich befreiter als in diesem Augenblick.
Schreibe einen Kommentar