Mit dem Aschermittwoch beginnt für Christen die Zeit des Fastens und des Verzichts. Dabei ist Fasten gar nicht einfach, man kann in viele Fallen tappen. Die Lesetexte des Aschermittwochs bieten aber Hilfe, wie unser Autor Benedikt Bögle erklärt.
Wer am Aschermittwoch einen katholischen Gottesdienst besucht, möchte wohl mit einer ziemlich niederschmetternden Stimmung rechnen: Klar, Fastenzeit bedeutet Verzicht und eine Konzentration auf die eigenen Fehler. Das macht niemand sonderlich gerne. Und da die christliche Tradition sehr wohl weiß, dass das schwierig ist, gibt sie am Aschermittwoch, dem ersten Tag der vierzigtägigen Fastenzeit, einen besonderen Proviant mit. Alle drei Lesungen sprechen natürlich von Fasten und Umkehr, gleichzeitig aber geben sie Hoffnung.
Das beginnt mit der ersten Lesung aus dem Buch Joel (Joel 2,12-18). Dabei handelt es sich um ein relativ kurzes und unbekanntes Prophetenbuch aus dem Alten Testament. Der Prophet vermittelt die Botschaft Gottes: „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen, mit Fasten, Weinen und Klagen.“ (Joel 2,12) Das passt schon mal. Nicht nur Fasten, auch noch Weinen und Klagen. Denn: Angesichts der eigenen Fehler und Sünden kann der Mensch eigentlich nicht anders. Und dabei kann die Gefahr groß werden, vollkommen zu verzweifeln: Wie könnte Gott mir denn vergeben? Wie kann er angesichts der vielen Sünden noch barmherzig sein? Das fragen sich Judentum und Christentum mittlerweile seit einigen Jahrtausenden und eine wirklich überzeugende Antwort wurde eigentlich noch nicht gefunden.
Gnade ohne Grund
Doch die Bibel spricht immer wieder von der Gnade Gottes. Er liebt die Menschen, auch wenn sie seine Liebe vermeintlich gar nicht verdient hätten. Er stellt sich auf die Seite der Menschen, obwohl sie immer und immer wieder von seiner Seite weichen wollen. Genau das weiß auch der Prophet Joel: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott. Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte, und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat.“ (Joel 2,13) Sätze wie diese bringen die Theologie immer wieder an den Rand der Sprachlosigkeit. Wie, bitteschön, kann Gott etwas bereuen? Bedeutet das denn nicht, dass er einen Fehler gemacht haben muss, der nun Reue erfordert? Kann Gott denn Fehler machen, kann er sich täuschen?
Unabhängig davon: Gott ist gnädig und barmherzig. Das kann auch der Prophet hier nicht begründen. Es entspricht den Erfahrungen unzähliger Menschen, dass Gott eben nicht rachsüchtig, sondern barmherzig ist. Die Bibel ist voll von solchen Erfahrungen. Das lässt sich aber nicht rein rational begründen, die Barmherzigkeit Gottes lässt sich nicht argumentativ herleiten. Und doch ist es für unzählige Christen die Quelle ihres Glaubens.
Jetzt ist der Tag der Rettung
Einer von diesen Christen ist der Apostel Paulus, der in der Lesung aus dem zweiten Korintherbrief (2. Korinther 5,20-6,2) zu Wort kommt. Ursprünglich hat er die frühen christlichen Gemeinden verfolgt, bis er in seinem Bekehrungserlebnis eine Berufung durch Gott spürte. Die neue Lebensaufgabe für ihn lag nun nicht mehr darin, die christliche Botschaft zu verfolgen, sondern zu verbreiten. Er fleht die angesprochene Gemeinde aus Korinth an: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (2. Korinther 5,21) Denn: Gott erhöre den Menschen und rette ihn. Deswegen sind Gnade und Rettung nicht nur ein Geschehen in ferner Zukunft, sondern ganz aktuell: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung.“ (2. Korinther 6,2)
Also wissen wir schon einmal: Fasten darf den Menschen nicht zerstören. Im Hinterkopf sollte immer bleiben, dass die Fastenzeit die Barmherzigkeit Gottes voraussetzt. Wäre Gott ein böser und nachtragender Gott, hätte das Fasten wohl auch wenig Sinn. So banal es klingt, man sollte es nie vergessen. Denn es stellt sich schließlich noch die Frage, wie man überhaupt fasten soll. Und das erklärt im Evangelium Jesus selbst (Matthäusevangelium 6,1-6.16-18). Er erklärt anhand einiger Beispiele seinen Jüngern, wie sie fasten sollen. Und dabei gewinnt man den Eindruck, Jesu hätte viel mehr Sorge, seine Anhänger würden es maßlos übertreiben. Er warnt davor, die eigene Gerechtigkeit, das Gebet und das Fasten nicht vor sich herzutragen.
Fasten: Verzicht auf Hygiene?
Wer Almosen gibt, soll dafür sorgen, dass das verborgen bleibt, und es nicht der ganzen Welt erzählen. Wozu auch? Wer betet, soll sich nicht theatralisch mitten auf die Straße stellen, er soll zuhause, im Stillen beten. Und wer fastet bekommt den Tipp Jesu: „Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest“ (Matthäus 6,18). In vergangenen Jahrhunderten, besonders in der Antike, konnte das Fasten schon sehr strenge Züge annehmen. Nichts mit Verzicht auf Fleisch, Süßigkeiten, Zigaretten oder Alkohol. Eher gar keine bis sehr wenige Nahrung, auch der Verzicht auf Körperpflege konnte zum Fasten zählen. Klar: Da merkt jeder, dass man fastet. Das Gesicht fällt ein und auch die Enthaltung einiger hygienischer Maßnahmen zieht zwangsläufig wohl eher unangenehme Aufmerksamkeit auf sich.
Diese Anweisung Jesu ist gar nicht so leicht zu befolgen. Denn egal, was das private Fastenopfer sein möge, die Umwelt wird es merken. Dem Freundeskreis fällt auf, dass man keine Zigaretten mehr raucht, der Familie, dass man vom Fleischliebhaber zum Vegetarier mutiert ist – wenigstens bis Ostern. So ganz vermeiden lässt sich das auch nicht. Aber das Entscheidende ist auch nicht der Verzicht auf materielle Annehmlichkeiten. Vielmehr soll das Verhältnis zu Gott erneuert werden – ein bisschen so, als würde man das alte Auto zur Inspektion fahren. Der Verzicht auf Nahrungsmittel kann dabei helfen: Wer kein Fleisch mehr isst, wird spätestens an der Dönerbude an die Fastenzeit erinnert. Und doch ist das nicht das Wichtige. Wichtig ist Gott und wichtig ist das eigene Leben. Wer fastet, sollte immer auf das Vorzeichen der Fastenzeit achten: Diese 40 Tage sind nicht der Vorhof zur Hölle, sie sind der Auftakt für Ostern. Und Ostern ist das Fest der Erlösung.
Schreibe einen Kommentar