Pro Femina berät Schwangere, die über eine Abtreibung nachdenken. Aus ihrer Überzeugung machen sie keinen Hehl: Sie wollen zu einem Leben mit dem Kind beraten. Auf die Niederlassung der Schwangerenberatung in Berlin wurde Anfang Oktober ein Anschlag verübt. Die SPD will die Beratungsstellen indes schließen. Ein Bericht von Benedikt Bögle.
Die Niederlassung der Schwangerschaftsberatung „1000plus“ des Vereins „Pro Femina“ bot Anfang Oktober ein trauriges Bild: Fenster waren eingeschlagen, Wände, Türen und Teppiche beschmiert. Die Debatte über den richtigen Umgang mit Abtreibung und Schwangerschaftskonfliktberatung findet einen Höhepunkt in grober Sachbeschädigung.
Auf Nachfrage von firstlife.de bestätigte die Berliner Polizei, dass diese Vorfälle als strafbare Sachbeschädigung eingestuft würden. Dort geht man davon aus, dass auch in Zukunft ähnliche Vorfälle nicht ausgeschlossen werden können. „Institutionen, die sich in lebensethischen Fragen positionieren, geraten regelmäßig, insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit dem ,Marsch für das Leben’, in den Fokus“, sagte die stellvertretende Pressesprecherin der Berliner Polizei, Anja Dierschke, gegenüber firstlife.
Beratung für über 50.000 Frauen
„In den letzten zehn Jahren haben wir über 50.000 Frauen beraten, die allermeisten davon schriftlich oder telefonisch“, sagt Kristijan Aufiero. Das Beratungsangebot für schwangere Frauen in Deutschland ist dabei breit. Für eine straffreie Abtreibung ist in Deutschland der Nachweis einer anerkannten Schwangerschaftsberatung nötig, der die Teilnahme an einem Beratungsgespräch bescheinigt. Einen solchen Schein stellt 1000plus nicht aus – wie etwa auch die Beratungsstellen der katholischen Kirche dies nicht tun. „Wir verstehen uns als Ergänzung zu staatlich und kirchlich finanzierten Beratungsstellen, so wie es auch in anderen Bereichen verschiedene Hilfsorganisationen mit unterschiedlichen Ansätzen gibt“, meint Aufiero weiter.
Beratung via Mail und Telefon
Seit 1000plus 2009 seine Beratungstätigkeit aufnahm, steigt die Zahl der beratenen Frauen: Im Anfangsjahr waren es 276, im vergangenen Jahr 2018 16.204 Frauen, wie Kristijan Aufiero berichtet. Das Besondere der Beratung: Der weitaus größte Teil der betroffenen Frauen wird nicht im persönlichen Gespräch, sondern mittels schriftlicher Kommunikation oder am Telefon beraten. Im vergangenen Juli eröffnete 1000plus auch eine Beratungsstelle in Berlin: „Nachdem rund zehn Prozent aller Besucherinnen unserer Online-Beratungsplattform aus Berlin kommen, war für uns klar, dass wir auch dort vertreten sein müssen, wo die Not der schwangeren Frauen am größten ist.“
Berliner Zentrale im Juli eröffnet
Indes ist es das Ziel der Berliner SPD, den Verein Pro Femina zu verbieten. Für den Landesparteitag am 26. Oktober beantragten die Jusos, die Niederlassungen der Schwangerenberatung solle geschlossen werden. In ihrem Antrag kritisieren sie unter anderem, Pro Femina stelle den Schutz der ungeborenen Kinder über das Leben der betroffenen Frauen. Da kein Schein ausgestellt werde, „müssen sie in eine andere Beratungsstelle, die einen Beratungsschein ausstellt“, heißt es in dem Antrag, der auf dem Parteitag einstimmig angenommen wurde.
Täuschung der schwangeren Frauen?
Nachdem ein großer Teil der Frauen, die eine Beratung suchen, nicht über den persönlichen Kontakt beraten werden, sondern schriftlich oder telefonisch, lohnt sich ein Blick auf die Homepage der Beratungsstelle. Dort wird schnell ersichtlich, dass 1000plus das ungeborene Leben in den Fokus rückt. „Hilfe statt Abtreibung“, heißt es dort etwa. Oder weiter: „Ziel ist es, eine Entscheidung für ein Leben mit Kind zu ermöglichen.“ Die Jusos stellen die Lage in ihrem Antrag anders dar. Pro Femina versuche, „sich als normale Beratungsstelle darzustellen“. Dies sei nicht der Fall.
Auf der Webseite von Pro Femina heißt es hingegen eindeutig: „Daher bieten wir jeder einzelnen Schwangeren objektive Information, bestmögliche Beratung und konkrete Hilfe auf ihre individuellen Bedürfnisse angepasst – so dass sie ein JA zu ihrem Kind sagen kann.“ Das sieht eigentlich nicht nach einer Vertuschung der wahren Absichten aus – im Gegenteil. Die Sachbeschädigungen der 1000plus-Stelle befürworten hingegen auch die Jusos nicht: „wir lehnen Gewalt ab und setzen stets auf den demokratischen Diskurs – so auch in diesem Fall“, wie es in einer Stellungnahme der Parteiorganisation heißt. Kristijan Aufiero und sein Team dagegen werden jedenfalls nicht aufhören, schwangere Frauen zu beraten.
Schreibe einen Kommentar