Katholische Laien bringen auf verschiedenste Weise ihre christlichen Wertüberzeugungen in die pluralistische Gesellschaft von heute ein. Als Kirche mitten in der Gesellschaft verstehen sich die Gremien der katholischen Laien und so auch der Katholikenrat Wuppertal. Dessen Vorsitzende Sabine Schmidt sprach mit f1rstlife über den konkreten Einsatz für Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und Schöpfungsverantwortung in ihrer Stadt.
Frau Schmidt, Ihr Gremium ist die nach demokratischen Prinzipien gewählte Laienvertretung in Wuppertal. Wie würden Sie das Selbstverständnis des Katholikenrats in eigenen Worten zusammenfassen?
Der Katholikenrat Wuppertal ist das höchste Laiengremium der Stadt. Durch die Vollversammlung, die zu gleichen Teilen aus Delegierten der Gemeinden und der Verbände besteht, bildet er die circa 80.000 Katholikinnen und Katholiken in Wuppertal nach. Wir sehen unseren Schwerpunkt in der Beobachtung der Entwicklungen im politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Leben, so wie es auch in unserer Satzung steht und wir versuchen dies umzusetzen, zu operationalisieren. Wir sehen uns auch als beratendes Gremium des Stadtdechanten, der geborenes Mitglied ist.
Wenn der Katholikenrat Stellung zu Fragen des öffentlichen und kirchlichen Lebens nimmt, aus welcher Perspektive und mit welchen Maßstäben tut er dies?
Die beste Perspektive ist: „Was würde Jesus dazu sagen?“ Aus dieser Perspektive sind wir am Menschen orientiert; unser christliches Verständnis von der Würde des Menschen steht im Vordergrund und dies im Besonderen bei Schwachen, Kranken und den Minderheiten in der Gesellschaft. Beispielsweise haben wir uns als Katholikenrat an einer stark emotionsgeladenen öffentlichen Diskussion um den Bau einer forensischen Klinik beteiligt und haben dabei an die Würde auch von denjenigen erinnert, die in solchen Kliniken leben.
Die bundesdeutsche Gesellschaft ist pluralistisch. Eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensentwürfe und Weltdeutungen sind in ihr zu finden. Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zum gesellschaftlichen Pluralismus?
Ich lebe gerne in dieser vielfältigen Welt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in Deutschland in Frieden leben. So lange einer den anderen respektiert und jeder die Gesetze achtet, sehe ich darin keine Gefahr. Wir können in dieser Gesellschaft für unsere Werte einstehen und müssen uns auch gefallen lassen, dass wir Rede und Antwort stehen müssen. Als Beispiel: Ist ein Leben als dementer Mensch noch lebenswert? Es geht um die Balance zwischen medizinischem Fortschritt und dem Wert und der Würde eines Lebens. Als Christinnen und Christen müssen wir deutlich machen, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes ist – gleich, wie viel er „leistet“ oder „kostet“. Das ist mitunter nicht für alle in der Gesellschaft selbstverständlich.
Inwieweit kann der Katholikenrat eine vermittelnde Rolle zwischen Kirche und (Stadt-)Gesellschaft einnehmen?
Indem wir im Gespräch bleiben! Auf unsere Werte hinweisen, beispielsweise bei der Allianz für den freien Sonntag oder bei unserem alljährlichen Laurentiusempfang, den wir zu Ehren des Wuppertaler Stadtpatrons begehen. Ingesamt geht es darum, Veranstaltungen und Aktionen zu planen, die für ein gutes Miteinander werben.
Wie ist das Verhältnis des Katholikenrats zu den Vertretungsorganen anderer religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften?
Das Verhältnis ist insgesamt gut. Juden, Muslime und Christen laden sich in Wuppertal gegenseitig zu Veranstaltungen ein, man besucht sich gegenseitig: Die Muslime laden zum Fastenbrechen und zum Opferfest ein. Von den Juden wird man zum Neujahrsfest eingeladen und wir laden Vertreter beider Religionen zum Laurentiusempfang ein. Es gibt außerdem ein- bis zweimal im Jahr eine öffentliche Gesprächsreihe von Christen, Juden und Muslimen zu verschiedenen Themen. Es wird in Wuppertal auch einen ersten interreligiösen Friedhof geben. Ansonsten muss man sagen, dass der religiöse Dialog immer auch eine sehr vorsichtige und feinfühlige Arbeit ist. Im gesellschaftspolitischen Bereich gab es einmal eine gemeinsame Aktion, wo wir uns als „Runder Tisch von Christen, Juden und Muslimen“ bei einer Demonstration von Rechten vor der Moschee dem Bündnis für Demokratie und Toleranz angeschlossen haben.
Heutzutage gibt es häufig Misstrauen gegenüber organisierten Strukturen. Die Bereitschaft, sich bloß projektbezogen zu engagieren, ist größer als die Bereitschaft, sich in feste Strukturen einzubringen. Wie wirkt sich das auf den organisierten Laienkatholizismus in Wuppertal aus?
Ist das so?! Keiner will mehr Mitglied werden, aber die meisten Menschen engagieren sich sehr regelmäßig. Der Katholikenrat hat die gleichen Probleme wie Pfarrgemeinden, Vereine oder andere Verbände auch. Wir werden weniger. Man kann versuchen, da wo Menschen sich für das Engagement in Projekten begeistern können, ihnen die Möglichkeit und Perspektiven zu bieten, um dranzubleiben. Entweder wird es einen neuen Ruck geben, dass sich wieder mehr Menschen für feste Mitgliedschaften entscheiden oder es wird etwas Neues kommen. Es sind wie gesagt nicht unbedingt weniger Menschen, die sich in der Kirche engagieren, sie tun es nur anders.
Kommen wir zum Thema Politik: Wie mischen Sie sich als Katholikenrat in die Wuppertaler Kommunalpolitik ein?
Der Katholikenrat wirkt auf verschiedene Weise in der Kommune mit: Mit dem Oberbürgermeister stehen wir in Kontakt, beispielsweise haben wir ihn ermutigt, im Rathaus fair gehandelten Kaffee auszuschenken und umweltfreundliches Papier zu verwenden. Auch haben wir die Stadt insgesamt dabei unterstützt, „Fair-Trade-Town“ zu werden. So sieht für uns der christliche Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ganz konkret aus. Beim Thema Stadtentwicklung fragen wir uns: Wie sieht für uns Katholikinnen und Katholiken eine lebenswerte Stadt aus? Braucht es so unverhältnismäßig große Konsumtempel, wie es bei der Erweiterung der City-Arkaden zu erwarten ist? Außerdem wollen wir Wahlbausteine für die anstehende Kommunalwahl entwickeln. Das sind einige Beispiele für unser Wirken als Katholikenrat. Ansonsten sind einzelne Mitglieder von uns auch in verschiedenen politischen Parteien aktiv und kandidieren für den Stadtrat oder für eine Bezirksvertretung. Über die Parteigrenzen hinweg eint uns unser gemeinsamer christlicher Glaube und unsere Zugehörigkeit zur katholischen Kirche.
Was könnte der Katholikenrat Ihrer Meinung nach noch besser oder anders machen, um in die Gesellschaft hineinzuwirken?
Also generell kann man natürlich immer mehr machen. Unser Manko ist zum Beispiel: Wir machen zu wenig Spirituelles. Unsere Sitzungen beginnen wir natürlich immer mit einem Gebet, aber nach außen hin, beispielsweise durch Besinnungstage oder Ähnlichem, haben wir bisher noch nichts gemacht. Ich würde mir manchmal wünschen, wie es Papst Franziskus besonders gut vormacht, dass wir als Katholikenrat ganz selbstlos konkrete Menschen unterstützen würden. Einzelne Mitglieder des Katholikenrats sind auch auf diese Weise sehr praktisch aktiv, aber als Gremium sind wir vielleicht manchmal zu verkopft.
Frau Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!
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