Wenn man an das Wort „Sucht“ denkt, kommen einem unweigerlich Begriffe wie Alkohol oder Drogen in den Sinn. Diese „traditionellen“ Süchte sind seit jeher ernst genommene Krankheiten. Menschen werden abhängig, verlieren die Kontrolle über ihr Leben. Betroffene Personen sind auf professionelle Hilfe angewiesen, um diesem Teufelskreislauf zu entkommen. Allerdings hat sich im Zeitalter der Technik von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt eine weitere Sucht in den Vordergrund geschlichen: die Computerspielsucht.
Sowohl der Computer als auch der Internetgebrauch spielen in der Gesellschaft eine immer größere Rolle. 92 Prozent aller Haushalte in Deutschland besitzt einen oder mehrere Computer sowie einen Internetanschluss. Daher kommt es nicht von ungefähr, dass der Gebrauch in den letzten zehn Jahren deutlich angestiegen ist. Beliebt sind dabei besonders Computerspiele. Sei es alleine in „Offline-Spielen“ oder zusammen mit Freunden in „Online-Multiplayern“ – je öfter gespielt wird, desto öfter setzt man sich der Gefahr aus, eventuell abhängig zu werden. Aber wie zeichnet sich eine Computerspielsucht aus, woran erkennt man, ob man süchtig bzw. gefährdet ist und welche Aspekte führen erst zu dieser Sucht?
Wann kann man von Sucht sprechen?
Wie bei anderen Süchten auch, ist der Konsum maßgeblich an möglichen Auswirkungen beteiligt. Wer übermäßig viel am Computer spielt, ist eher gefährdet als jemand, der ab und zu mal vor dem PC sitzt. Besonders Jugendliche sind in dieser Hinsicht gefährdet, da sie sich oft mit ihren Freunden online treffen und so manche Nachmittage und Nächte in virtuellen Welten verbringen. Immerhin 93 Prozent aller Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren spielten 2014 regelmäßig Videospiele. Doch man sollte vorsichtig mit der Begriffsbezeichnung „süchtig“ sein. Denn nur, weil jemand viel Zeit in Spiele investiert, heißt das nicht direkt, dass er auch süchtig ist.
Daher ist auch unter Experten nach wie vor die große Streitfrage, ab wann man tatsächlich von einer Sucht sprechen kann. Denn die Grenzen zwischen zwanghaft-süchtigem und spaßbedingtem-exzessivem Spiel sind nicht immer deutlich. Daher konzentrieren sich die Experten bei ihren Kriterien viel mehr auf die Auswirkungen, die das viele Spielen auf den Betroffenen hat. So gibt es einige Anhaltspunkte, die auf ein eventuell problematisches Spielverhalten hindeuten können:
Der/Die Betroffene…
… hört auf, Aktivitäten nachzugehen, die sonst mit viel Freude ausgeübt wurden;
… vernachlässigt Freunde und Familie und verschließt sich vor ihnen;
… hat Entzugserscheinungen, wenn er/sie nicht am PC sitzt;
… ist in Gedanken immer bei Computerspielen (besonders auch bei anderen Aktivitäten);
… erzielt schwache Leistungen in Schule oder Universität oder vernachlässigt die Arbeit;
… schwänzt Schule/Universität/Arbeit, um am Computer sein zu können;
… leidet unter Konzentrationsschwächen;
… ist sehr oft unruhig und/oder hat plötzliche Wutausbrüche;
(Quellen: https://www.spielsucht-therapie.de/computerspielsucht/, https://ag-spielsucht.charite.de/computerspiel/merkmale_der_computerspielsucht/).
Stressabbau und Flucht vor der Realität – Gründe, die zur Sucht führen
Eine weitere Frage, die immer wieder gestellt wird, ist das „Warum?“. Was treibt einen Menschen dazu, immer mehr Zeit mit den Spielen zu verbringen, als sich um sein „Real Life“, sein reales, wirkliches Leben zu kümmern? Auch hier gibt es mehrere Erklärungsansätze.
Der häufigste Grund ist Stressbewältigung bzw. Ablenkung. Viele, die weitaus weniger Zeit mit Computerspielen verbringen, dürften schon einmal die Erfahrung gemacht haben, wie schön es sein kann, einfach mal der Realität zu entfliehen und sich in eine virtuelle Welt zu begeben. Sei es, um Inspirationen zu sammeln oder um einfach mal den Kopf frei zu bekommen vom Alltagsstress. Wie ein Spaziergang an der frischen Luft kann das sehr befreiend wirken, sodass man anschließend in der Lage ist, wieder konzentriert weiterzuarbeiten. Diese Flucht in virtuelle Welten geschieht übrigens nicht nur am Computer. Auch beim Lesen eines guten Buches oder beim Genießen eines Hörspiels kann man der Realität vorübergehend entfliehen. Daher sind besonders sehr gestresste Menschen, aber zum Beispiel auch Menschen mit Depressionen gefährdet, immer öfter in die virtuelle Welt zu entfliehen, um dort Ablenkung und oftmals auch Unbeschwertheit zu finden und zu fühlen.
Eine wertschätzende Gruppe wirkt anziehend
Ein weiterer Aspekt ist die Wertschätzung, die man in Online-Spielen erfährt. Diese sind für Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sehr attraktiv, da man in der virtuellen Welt leichter an Anerkennung einer Gruppe kommt als im realen Leben. Natürlich muss das nicht immer so sein, aber alleine die Aussicht, in eine Gruppe integriert und anerkannt zu werden sind für Außenseiter verlockend.
Aber auch die Inhalte der Computerspiele an sich können zur Sucht verleiten. Besonders Online-Multiplayer-Spiele sind darauf ausgelegt, dass man mit fortschreitender Spielzeit immer neue Erfolge und Auszeichnungen erzielen kann. Diese Belohnungen motivieren zum Weiterspielen, um immer neue Dinge freizuschalten. Unabhängig davon braucht man in späteren Spielverläufen generell länger zum Erreichen der Ziele. Durch dieses System verbringt man unweigerlich immer mehr Zeit, sodass man in extremen Fällen in dem Spiel gefangen ist, um an Erfolge zu kommen. Ergänzend dazu haben Online-Multiplayer selten ein richtiges Ende, sodass man in der Theorie immer weiterspielen könnte.
Dies sind natürlich nicht alle Aspekte, die zu einer Sucht hinführen, wenngleich aber einige der wichtigsten und häufigsten Ursachen. Auch ist sicherlich nicht immer nur ein Aspekt für eine Sucht ausschlaggebend, sondern die Kombination aus mehreren Faktoren.
Wie kann ich mir helfen, wenn ich das Gefühl habe süchtig nach Computerspielen zu sein?
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass nicht jedes (exzessive) Spielen gleichzeitig ein süchtiges Verhalten darstellt. Wenn man gegenüber dem eigenen Verhalten misstrauisch wird, sollte man sich fragen, warum man überhaupt spielt, wie oft man sich auch abseits des Computers mit Videospielen beschäftigt und ob man nicht einfach mal etwas anderes machen kann, ohne dass man das Gefühl hat, dass etwas fehlt.
Ob man wirklich suchtgefährdet ist, kann man nur herausfinden, wenn man sein eigenes Verhalten wirklich kritisch und ehrlich betrachtet. Wenn man zwischen den Aspekten und Auswirkungen differenziert und sich fragt, woher diese bei einem selbst kommen. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht alles schönreden oder gar vernachlässigen.
In jedem Fall ist ein professioneller Rat immer eine gute Hilfe, um ein Feedback von außen zu bekommen. Ansprechpartner können Beratungsstellen für Suchtkrankheiten sein, die das Problem mit dem vielleicht Betroffenen persönlich erörtern und dann nach Möglichkeiten suchen, um zu helfen. Und auch wenn im Endeffekt herauskommt, dass man nicht von Videospielen abhängig ist, sollte man sich im Verdachtsfall nicht davor scheuen nach Hilfe zu fragen, denn dann weiß man wenigstens auch, dass alles gut ist.
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